„Deutschland muss technologisch unabhängiger werden“

3. November 2022


Interview mit Mario Brouwers, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AGEV. Neben Burkhard Dickmann, den wir in der letzten Ausgabe interviewten, ist Brouwers das zweite neue Gesicht im Vorstand der AGEV. Er ist zudem Inhaber der cyberfabrik – Agentur für Webdesign & Webentwicklung in Bonn.

AGEV: Der neue Vorstand der AGEV hat vor über einem Jahr mit seiner Arbeit begonnen. Was war in dieser Zeit für Sie besonders wichtig?

Mario Brouwers: Zunächst natürlich das gesamte AGEV-Team kennenzulernen und dann direkt in die anstehenden Themen einzusteigen. Dieser Prozess hat dank des guten Teamworks nicht lange gedauert, und so konnte ich schnell mit den drängendsten Aufgaben beginnen. Und das war die Neugestaltung der Mitgliederkommunikation. Die AGEV will noch digitaler und interaktiver werden. Deshalb haben wir die Website komplett neugestaltet und das bisherige AGEV-Magazin endgültig auf den digitalen Versand umgestellt. Das erste digitale Magazin unter dem neuen Namen „AGEV im Dialog“ haben wir im September versendet.

AGEV: Wie sind Sie bei der Neuausrichtung vorgegangen?

Mario Brouwers: Das alte Content Management System, dass der AGEV-Website zugrunde lag, war ein proprietäres System. Es war in die Jahre gekommen. Es fehlten zum Beispiel Schnittstellen zu Social-Media-Kanälen oder die Flexibilität bei der Gestaltung auf der redaktionellen Ebene. Erweiterungen wären nur mit erheblichem Aufwand und Kosten zu realisieren gewesen. Deshalb suchten wir ein benutzerfreundliches, modernes, datenbankbasiertes System, das einerseits offen für diverse Erweiterungen ist und gleichzeitig größtmögliche Gestaltungsoptionen auch für Anwender ohne Programmierkenntnisse bietet. Aufgrund dieser Anforderungen war schnell klar, dass wir auf das weltweit meistverbreitete CMS-System WordPress ­umsteigen wollen. WordPress wird als open-source-basiertes System von tausenden von freiwilligen und professionellen Programmieren unterstützt und bietet so maximale Flexibilität und zugleich Zukunftssicherheit.

AGEV: Wie sieht es dabei mit dem heiklen Thema Datensicherheit aus?

Mario Brouwers: Das ist tatsächlich ein ganz wichtiger Punkt. Unsere Mitglieder müssen sich darauf verlassen können, dass ihre persönlichen Daten bei uns absolut sicher sind. Deshalb haben wir die bewährte Mitgliederverwaltungssoftware erst mal nicht erneuert. Auch unser bisheriger Hosting-Anbieter, der unsere Daten natürlich auf sicheren Servern in Deutschland speichert, bleibt uns erhalten. Wenn sich hier in Zukunft noch Optimierungsbedarf ergeben sollte, werden wir dies in einem weiteren Schritt angehen. Im Moment sehe ich da aber noch keinen Handlungsbedarf.

AGEV: Können Sie unseren Mitgliedern aus Ihrer Erfahrung ein paar Tipps geben? Worauf sollte man bei der Gestaltung einer Website achten?

Mario Brouwers: Das Thema Website sollte nie isoliert betrachtet werden. Im Idealfall ist sie möglichst nahtlos in die bestehenden Geschäftsprozesse integriert. Ich mache das mal am Thema Kundenakquise fest: Die Besucher der Seite sollten ohne Hürden zu einem Kontaktformular geleitet werden. Dieses muss dann wiederum beim zuständigen Mitarbeiter oder bei der zuständigen Mitarbeiterin ankommen und entsprechend beantwortet werden, z. B. durch das Erstellen eines Angebots. Das hört sich einfach an, kann aber im Detail durchaus komplexe Überlegungen erfordern.

AGEV: Wäre es sinnvoll, sich beraten zu lassen?

Mario Brouwers: Auf jeden Fall. Zwar kann heute jeder eine Visitenkarte ins Netz stellen, aber die bewirkt dann auch nicht viel. Geht es um Themen wie Anpassbarkeit bei wachsenden oder sich verändernden Anforderungen, um professionelle und rechtssichere Gestaltung, kann Beratung Gold wert sein. Denn ansonsten fängt man immer wieder von vorne an, weil man sich schnell in eine technische Sackgasse hineinmanövriert. Niemand sollte außerdem die Gefahr von Abmahnungen unterschätzen. Wir erleben gerade wieder eine Welle von Abmahnungen wegen des Einsatzes von Google Fonts. Oftmals weiß der Website-Betreiber nicht einmal, dass er seine Schriften von Google-Servern lädt, die in den USA stehen. Und schon verstößt er gegen die Datenschutzgrundverordnung.

AGEV: Wie sehen Sie als Webentwickler dieses Problem?

Mario Brouwers: Datenschutz ist richtig und wichtig – gar keine Frage. Aber ich fürchte, dass ein Großteil der Politiker leider wesentliche technische Grundlagen nicht versteht. Nehmen wir etwa das Beispiel Google Fonts. Diese können das Surfen im Netz extrem beschleunigen, indem Daten nicht immer komplett geladen werden müssen, sondern nur bei Bedarf nachgeladen werden. Verbietet man solche Technologien, sollte man sich nicht wundern, wenn dann alles langsamer und umständlicher wird. Noch so ein Beispiel sind die Cookie-Banner, die wir alle seit drei Jahren beim Besuch jeder Seite wegklicken müssen. Kostet nur viel Zeit und Nerven, bringt aber wenig für den Datenschutz.

AGEV: Wäre das nicht auch ein politisches Thema für die AGEV?

Mario Brouwers: Definitiv! Alle Datenschutzlösungen kranken an der Tatsache, dass es seit Jahren kein Abkommen für den rechtssicheren Datenaustausch zwischen den USA und Europa gibt, wir aber technologisch immer abhängiger von US-Firmen werden. Jeder nutzt Software von Microsoft oder Google. Europa müsste technologisch endlich unabhängiger werden – etwa durch eine eigene Cloudarchitektur, wie sie mit Gaia-X angedacht ist. Leider geht es mit diesem Projekt seit Jahren kaum vorwärts. Zwar hat Präsident Biden am 7. Oktober eine „Executive Order“ unterschrieben, mit der die USA erstmals zugestehen, dass sie die Anforderungen der DSGVO erfüllen und die Massenüberwachung von EU-Bürgern einschränken wollen. Das ist aber nur eine Absichtserklärung. Wie diese mit Leben gefüllt werden soll, ist nicht klar, und deshalb hat der österreichische Datenaktivist Max Schrems, der bisher noch jedes Abkommen zu Fall gebracht hat, angekündigt, auch dagegen vor dem EuGH zu klagen. Deshalb wird uns dieses Thema auf jeden Fall noch lange beschäftigen.

AGEV: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Mario Brouwers führte für die AGEV Christoph Steinhauer, Steinhauer Kommunikation Bonn. Fragen, Anregungen oder Meinungen zu diesem Interview senden Sie bitte an:

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