DienstAGEV - Archiv der Editorials
DienstAGEV - 51. Kalenderwoche 2020
Liebe Leserin,
lieber Leser,
mein Editorial kommt heute gar nicht vorweihnachtlich daher, nimmt jedoch ein Thema vorweg, das in den nächsten Wochen ganz schnell wieder zum „Stadtgespräch“ werden wird.
Knapp 70 % der Deutschen meinen, dass zu wenig für den Umweltschutz getan wird und wünschen sich mehr konkrete Maßnahmen dafür. Viele haben noch den Hitzesommer 2018 in den Knochen und die beiden folgenden, kaum weniger belastenden Jahre. Dazu gesellen sich die Bilder abgeholzter Wälder, der Plastikfluten in den Ozeanen und jämmerlicher Zustände in den Megaschlachthöfen usw.
Dass aber am 1. Januar der Benzinpreis um gut 10 ct. steigen wird, vor allem weil die erste Stufe der CO2-Besteuerung in Kraft tritt, wird von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass – das typisch menschliche Verhaltensmuster. Die Preiserhöhung wird viele Bürger ärgern und ihre Bereitschaft reduzieren, sich aktiv für Umwelt- und Klimaschutz einzusetzen. Die Einnahmen werden in überwiegend sinnfreien, unzusammenhängenden Einzelmaßnahmen verpulvert, Subventionswirrwarr und Klientelpolitik.
Dabei hätte es die Regierung so einfach haben können, wenn sie dem Rat vieler Experten, ganz aktuell des RWI, gefolgt wäre, der der AGEV bereits seit vielen Jahren als einfache, vor allem aber äußerst produktive Lösung vorschwebt:
Jeder Bundesbürger vom Säugling bis zum Greis erhält zum Jahresbeginn 2021 eine feste Summe, z. B. 500 € ausgezahlt. Die dafür notwendigen 41 Mrd. € kann der Staat zinsfrei an den Anleihemärkten aufnehmen, vermutlich erhält er sogar noch einen Zinsertrag dafür. Dann wird eine CO2-Steuer und/oder Ökosteuer derart festgelegt, dass ihre Einnahmen voraussichtlich 41 Mrd. € p. a. betragen werden, also im Schnitt eine Nullsummenspiel für Staat und Steuerzahler. Geht die Rechnung nicht auf, wird im Folgejahr einfach nachjustiert durch Anpassung der Abgabe.
Was passiert? Diejenigen, die wenig CO2 produzieren, sind vor allem die weniger Begüterten im Land. Sie erhalten in der Regel mehr, als sie an zusätzlicher Steuer wieder ausgeben müssen. Besserverdienende haben einen größeren ökologischen Fußabdruck und zahlen automatisch einen größeren Anteil der Last. Durch den Pro-Kopf-Bonus werden in erster Linie Familien mit Kindern entlastet. Das Modell lässt sich zukünftig auf jeglichen Umweltkonsum erweitern, angefangen bei Nitrat, Stickoxid und Feinstaub über Mikroplastik bis hin zu Flächenverbrauch, Bodenversiegelung und Lärm. Je mehr Stoffe einen Preis erhalten, umso gerechter und sozialer wird das System.
Aber der Hauptvorteil ist, dass die Menschen sich des Zusammenhangs von Umweltverbrauch und Kosten bewusst werden und anfangen, kreativ nach Einsparungen zu suchen. Nicht mehr der Staat entscheidet, wie Umweltschutz funktionieren soll, sondern der Bürger selbst und vor allem Unternehmen, die neue Geschäftsmodelle entdecken werden bzw. bestehende anpassen. Und wir wissen seit jeher, dass das viel effektiver, preiswerter und motivierender ist. Dann macht Umweltschutz fröhlich und im echten Wortsinne wohlhabend. Und so schließt sich der Kreis zu Weihnachten doch noch ein bisschen.
Das Ganze ist so bestechend einfach, logisch und bürokratiearm, dass es einfach nicht in meinen Kopf will, warum das nicht bei den Parlamentariern angekommen ist. Aber ich frage nochmals nach, verspricht Ihnen
Ihr
Franz J. Grömping