Kommt Deutschlands digitaler Aufbruch endlich in Fahrt?

Das erste Digitalministerium Deutschlands hat seine Arbeit aufgenommen. Wird die Digitalpolitik nun endlich zu dem Schwerpunkt, den Unternehmer seit Jahren einfordern? Die Erwartungen sind groß: Bürokratieabbau, Bekämpfung der Cyberkriminalität, digitale Souveränität und Verwaltungsdienste, die digital funktionieren – damit Unternehmer wieder einen freien Kopf und Lust auf Innovationen haben. Ob Minister Karsten Wildberger liefern kann, wird sich zeigen. Denn wie Erich Kästner treffend formulierte: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.”
Trotz aller vollmundigen Ankündigungen der Vorgängerregierungen haben sich die Versäumnisse bei Digitalisierung und Bürokratieabbau in Deutschland aufgetürmt. Nun soll das neue Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung (BMDS) den digitalen Rückstand aufholen. Ein eigenes Ministerium, das sich kümmert, ist erst mal eine gute Startposition, um das bisherige Wirrwarr an Zuständigkeiten und Kompetenzen zu beenden. So werden die bisherigen Digitalabteilungen aus sechs Ministerien ab sofort ins BMDS überführt. Wenn Bundesbehörden künftig in ihre IT investieren wollen, geht das nur noch mit Zustimmung des BMDS – ohne grünes Licht aus dem Ministerium kein Geld für IT-Projekte. Diese Budgethoheit könnte endlich für koordinierte Digitalisierungsprojekte sorgen (lesen Sie dazu auch das Interview mit Stefan Heumann). Vorteile sehen Experten auch in der künftigen Anbindung des Nationalen Normenkontrollrats (NKR) an das Digitalministerium. So kann zum Beispiel frühzeitig geprüft werden, ob neue Gesetze oder Verordnungen digital umsetzbar sind. Unnötige Hürden können abgebaut werden, was die Verwaltung effizienter, moderner und bürgernäher macht.
Die Wunschliste ist lang
Die Erwartungen der Unternehmen sind groß, auch was die Prioritäten betrifft. Eine aktuelle Umfrage des Digitalverbands Bitkom zeigt, dass 95 Prozent der befragten Unternehmen die Bekämpfung der Cyberkriminalität als wichtigste Aufgabe des neuen Ministeriums sehen. Besonders für kleine Unternehmen ist Cybersicherheit ein existenzielles Thema. Weit oben auf der Wunschliste steht auch eine Überprüfung des Datenschutzes, was zeigt, wie sehr die DSGVO-Bürokratie als Hemmnis wahrgenommen wird. Eine aktuelle Bitkom-Umfrage bestätigt das: Zwei Drittel aller Unternehmen stoppen Projekte aufgrund der strengen Datenschutzvorgaben in Deutschland. „Der Datenschutz hat sich in Deutschland zur Digitalisierungs-Bremse Nummer eins entwickelt“, sagt Dr. Ralf Wintergerst, Präsident des Digitalverbands Bitkom.
Die Wirtschaft erwartet außerdem, dass die Digitalisierung von Staat und Verwaltung endlich und vor allem schnell umgesetzt wird. Während andere EU-Länder längst auf eine papierlose Kommunikation mit den Behörden setzen, kämpfen deutsche Unternehmer und Bürger heute zum Teil noch mit Faxgeräten oder müssen im Kontakt mit der Verwaltung zu Stift und Papier greifen.
Der Internetverband eco hat in einem Pflichtenheft fünf Bereiche definiert, mit denen sich das neue Ministerium auseinandersetzen muss:
- Ambitionierte Digitalstrategie vorlegen:Um das Digitalministerium erfolgreich und ergebnisorientiert arbeitsfähig zu gestalten, bedarf es eines ressortübergreifenden strategischen Zielbilds „Digitales Deutschland 2030“.
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- Digitale Verwaltung modernisieren: Die im Koalitionsvertrag angekündigten Pläne zur Modernisierung der Verwaltung klingen vielversprechend. Jedoch wird im Bereich der digitalen Verwaltung auch nichts Neues angekündigt. Auch werden keine konkreten Anhaltspunkte dazu geliefert, wann die Registermodernisierung abgeschlossen sein wird, oder wann die Umsetzung von digital-only stattfinden soll.
- Cybersicherheit ausbauen: Der Fokus sollte grundsätzlich auf der Umsetzung bestehender EU-Regulierung liegen. Eine klare Rollen- sowie Aufgabenverteilung in Cybersicherheitsfragen ist ebenso zu begrüßen wie die Stärkung des BSI und der geplante Ausbau des BSI zu einer Zentralstelle für Informations- und Cybersicherheit.
- Resilienten KI-Standort Deutschland stärken Das Digitalministerium muss eine innovationsfreundliche Umsetzung des AI Acts gewährleisten, Belastungen für Unternehmen reduzieren und gezielt KMU und Startups unterstützen.
- Rechtssicherheit in der Daten- und Digitalgesetzgebung schaffen – Vorratsdatenspeicherung verhindern: Das Digitalministerium sollte sich grundsätzlich für einen verlässlichen Rechtsrahmen in der Daten- und Digitalgesetzgebung einsetzen.
Die Vertretungen von Selbstständigen und kleinen Unternehmen sind vorsichtig optimistisch. Sie erwarten von der Politik vor allem praktische Verbesserungen: weniger Bürokratie beim Datenschutz, bessere IT-Sicherheit, eine funktionierende digitale Verwaltung und klare Zuständigkeiten. Nachdenklich stimmen in dem Zusammenhang die Ergebnisse des aktuellen KfW-Mittelstandspanels, bei dem erstmals auch der zeitliche Arbeitsaufwand mittelständischer Unternehmen für bürokratische Prozesse erhoben wurde. Die Studie zeigt: Solo-Selbstständige müssen den größten bürokratischen Aufwand schultern (im Schnitt 8,7 Prozent ihrer Arbeitszeit). Bei Kleinstunternehmen bis vier Mitarbeitern sind es 7,7 Prozent, bei solchen mit bis zu neun Mitarbeitenden noch 5,3 Prozent. Der Tenor: Mit wachsender Unternehmensgröße nimmt die relative Bürokratiebelastung ab.
„Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, für mehr Sichtbarkeit von Selbstständigen und Kleinunternehmern zu sorgen. Dass ausgerechnet die kleinsten Unternehmen die größten Bürokratieaufwendungen haben, ist irrwitzig und muss beendet werden“, sagt AGEV-Geschäftsführer Franz J. Grömping. Die Gründung eines eigenen Ministeriums betrachte der Verband erstmal als starkes Signal für Bürokratieabbau sowie Struktur und Tempo in der Digitalisierung. Der Erfolg werde davon abhängen, ob es gelingt, echte Reformen durchzusetzen ohne viel Zeit zu verlieren. „Sonst ist das neue Ministerium reine Symbolpolitik. Mit Lobgesang werden wir uns daher lieber zurückhalten, bis geliefert wird“, so Grömping.
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