Auf Zement verzichten: Grüner Beton aus Finnland

Finnischen Forschern ist es mit einer neuen Technologie gelungen, CO2 in Beton zu mineralisieren. Das Startup Carbonaide ist auf dem Weg, seine zementfreien Betonfertigteile zu kommerzialisieren. Das Verfahren ist mit dem Herstellungsprozess von Beton kompatibel und skalierbar – hat also Potenzial, die klimaschädliche Zementindustrie umweltfreundlicher machen.

COO Jonne Hirvonen (l.) und CEO Tapio Vehmas von Carbonaide mit ihren zementfreien Betonfertigteilen (Bildquelle: Jarno Artika)

Beton ist nach Wasser das am häufigsten genutzte Material auf der Erde. Als Baustoff ist er auch heute noch praktisch unersetzbar – denn er ist widerstandsfähig, langlebig und vielseitig einsetzbar. Die Herstellung von Beton gilt jedoch als einer der größten Klimakiller. Nicht nur wegen der weltweiten Ausbeutung des knappen Rohstoffs Sand, auch die für den Beton nötige Zementherstellung zählt zu den emissionsintensivsten Industrieprozessen. Der Klimaschaden, der durch Zement entsteht, ist beträchtlich: Für acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ist die Zementproduktion verantwortlich. Die Bauindustrie steht unter großem Druck, dem Klimafußabdruck ihrer Baumaterialien einen höheren Stellenwert zu geben und damit einen Beitrag zur Senkung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen zu leisten.

Wie aus CO2 steinhartes Karbonat wird

Das Startup Carbonaide, ein Spin-off des finnischen Forschungszentrums VTT Technical Research Centre, will den von VTT-Forschern entwickelten zementfreien Beton nun im industriellen Maßstab verfügbar machen. Die positiven Testläufe haben die Ausgründung des Startups gerechtfertigt. Bei der technologischen Lösung wird herkömmlicher Zement durch ein Gemisch aus Hochofenschlacken aus der Stahlindustrie, Grünlauge aus der Zellstoffherstellung und Bioasche, die zum Beispiel in Heizkraftwerken anfällt, ersetzt. Der entstehende Brei wird in spezielle Formen für Betonfertigteile gefüllt. Beim Verdunsten des Wassers wird CO2 in das Material eingelagert und härtet es aus. „Wir haben in der Pilotanlage gezeigt, dass unsere Technologie in der Lage ist, den CO2-Ausstoß von konventionellem Beton um 45 Prozent zu reduzieren“, sagt Tapio Vehmas, CEO von Carbonaide. Das Verfahren des Startups ist der Natur abgeschaut. Man kann es – einfach erklärt – mit dem Prozess vergleichen, der in Island im großen Stil angewendet wird, um der Atmosphäre CO2 zu entziehen. Auf der Insel im Nordwesten Europas steht die weltweit größte Anlage, mit der CO2 in den Untergrund gepresst wird. Unterirdisch reagiert das Klimagas mit den Mineralien und versteinert innerhalb von zwei Jahren zu Karbonat, einem steinharten Material. Den Prozess der Karbonatisierung ahmt Carbonaide oberirdisch nach.

Erste Betonfabrik

Nach den ersten erfolgreichen Pilotversuchen auf dem Gelände eines Betonwerks in Hollola will das Unternehmen seine Betonfertigteile nun im industriellen Maßstab herstellen. Finanzielle Unterstützung erhält Carbonaide vom Staat, finnischen Betonunternehmen und Investoren. In dem mit der umweltfreundlichen Technologie ausgestatteten Betonwerk in Hollola sollen nun täglich bis zu fünf Tonnen CO2 mineralisiert werden. Bis 2026 will das finnische Unternehmen zehn weitere Anlagen in Skandinavien bauen, die jährlich Millionen Tonnen CO2 binden. Und die längerfristigen Ziele sind noch ehrgeiziger: Bis 2050 will Carbonaide jährlich rund 500 Megatonnen Kohlendioxid in seinen Betonblöcken binden, was rund zehn bis 20 Prozent des globalen Marktes für Betonfertigteile entspricht.

Mehr Informationen: carbonaide.com