Höhenflug: 300 Meter hohe Windräder könnten Energieausbeute verdoppeln
Höhenwindräder könnten zu einem weiteren Motor für die Energiewende werden. Erste Messungen an einem Testmast bestätigen, dass Rotoren in großen Höhen an Offshore-Leistungen herankommen. In Brandenburg soll bald ein Prototyp in Betrieb gehen.
In großen Höhen weht der Wind stärker und beständiger: Das ist zwar allgemein bekannt, wurde aber bisher noch nicht ausreichend durch systematische Windmessungen belegt. Der 300 Meter hohe Messmast im ostdeutschen Schipkau, der im Frühjahr 2023 fertiggestellt wurde, soll nun Daten darüber liefern, wie rentabel Höhenwindanlagen tatsächlich sind und mit welchen Belastungen für das Material zu rechnen ist. 46 Messinstrumente auf dem Turm liefern kontinuierlich Datenmaterial zu Windgeschwindigkeit, Luftdruck, Temperatur und Niederschlag, aber auch zu Flugbewegungen von Fledermäusen, Zug- und Greifvögeln. Das bisherige Ergebnis: Der Ertrag von Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 300 Metern – 365 Meter sind es bis zur Rotorblattspitze – ist mehr als doppelt so hoch wie der herkömmlicher, halb so hoher Anlagen.

Jochen Großmann, Geschäftsführer des Ingenieurdienstleisters Gicon, der den Testmast gebaut hat, sieht seine Erwartungen bestätigt. „Die Messungen sind auf ein Jahr angelegt, doch bereits jetzt haben wir eine deutliche Tendenz. Der Wind hat in dieser Höhe nicht nur höhere Mittelwerte, sondern auch eine breitere Verteilung, was zu deutlich mehr Volllaststunden bei Windenergieanlagen in dieser Höhe führt. Die Leistung liegt damit im Bereich von Offshore-Anlagen, aber unter Onshore-Betriebsverhältnissen. Das heißt, die Kosten für Errichtung und Wartung sind deutlich geringer, was sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit auswirkt“, so der Gründer des Unternehmens aus Dresden. Die Firma will in Brandenburg nun ihr zweites Höhenwindkraft-Projekt umsetzen. Der Bund und die EU fördern die XXL-Windräder mit Pilotcharakter finanziell. Auftraggeber ist die beventum GmbH – Tochter der Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIND). In diesem Jahr soll die teleskopierbare Windkraftanlage – fast so hoch wie der Berliner Fernsehturm – startklar sein. Die Planer rechnen mit 80 Prozent mehr Wind in dieser Höhe. Auch wenn Höhenwindräder nicht grundsätzlich neu sind, kann man den Bau als Premiere bezeichnen, denn frühere Projekte wurden aus wirtschaftlichen Gründen meist wieder verworfen. Doch das neue Konzept ist auch deswegen wirtschaftlicher, weil die Türme im Gegensatz zu den herkömmlichen Windkraftanlagen nicht aus Stahlbetonröhren, sondern aus einem materialsparenden Stahl-Gitternetz konstruiert sind. Das reduziert den Luftwiderstand und senkt die Kosten für die Transportlogistik.
In zweiter Etage für eine bessere Energieausbeute
Sollte sich das Konzept durchsetzen, könnten Höhenwindräder zu einem wichtigen Treiber der Energiewende werden, denn in großen Höhen ließe sich die Windenergie dann auch im Binnenland besser ernten, dort, wo heute aufgrund schwacher Windverhältnisse nur wenige Anlagen stehen – zum Beispiel in Bayern.
Ein weiterer positiver Effekt: Die Höhenwindräder könnten in bereits stehende Windparks in Deutschland integriert werden, indem sie eine zweite Ebene über den normalen Windrädern bilden. Das heißt, der Energieertrag auf gleicher Fläche würde sich deutlich erhöhen. Positiver Nebeneffekt: Bürokratische Hürden entfallen oder sind zumindest geringer, da die erforderlichen Genehmigungen bereits vorliegen. Zudem ist die Netzinfrastruktur bereits vorhanden. Das Dresdner Unternehmen hat deutschlandweit ein Potenzial von bis zu 4.000 Höhenwindkraftanlagen errechnet.
Hybridkraftwerk lockt Investoren an
Nach dem Bau will Gicon das neue Höhenrad mit dem bestehenden Windpark und der angrenzenden, mehrere Hektar großen Solaranlage zu einem Hybridkraftwerk zusammenschalten. „In Kombination mit Solar erhalten wir somit ein lokales grünes Hybridkraftwerk, welches über das gesamte Jahr konstant Strom erzeugt“, sagt Jochen Großmann. Grüner Strom im großen Stil ist in der Industrie gefragt und könnte für die ostdeutsche Region – und perspektivisch weitere strukturschwache Gegenden in Deutschland – ein wichtiger Baustein zur Anwerbung von Investoren werden.
Mehr Informationen: Gicon
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