KI-Browser – von der Informationssuche zur Denkfaulheit?

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Bei der Google-Recherche – gefühlt schon immer da gewesen – zeigt sich, wie bequem wir Menschen sind. Wer klickt sich ernsthaft noch zur zweiten Trefferseite durch? In unserer Meinungsrubik „Einwurf“ fragt sich die Chefredaktion, wie das erst sein wird, wenn KI unsere Realität vorfiltert, Informationen selektiert, gewichtet und zu fertigen Antworten kuratiert. Verengt das unsere Perspektive?

Schon heute landen 55 bis 70 Prozent (je nach Studie) der Klicks bei Google auf den ersten drei organischen Treffern. Und in Zukunft? Wer klickt sich überhaupt noch durch Webseiten, wenn eine KI den Job schneller erledigt? Genau da liegt der Reiz neuer KI-Browser wie Dia oder Comet: Sie bündeln Informationen, kuratieren Antworten kompakt und ersparen uns weitere Arbeit. Das ist ohne Frage ein echter Fortschritt. Aber man sollte nicht vergessen: Bequemlichkeit hat ihren Preis. Michael Weckerlin, bekannt als „Mister SEO“, bringt in unserem AGEV-Interview ziemlich klar auf den Punkt, was das für die Akteure im Netz bedeutet: „Sichtbarkeit wandert vom Suchindex zur Antwortmaschine“. Das heißt überspitzt: Wer es nicht in die KI-Antwort schafft, existiert praktisch nicht mehr, wird rausgekickt. Früher rang man um Platz eins oder zumindest einen der ersten Plätze im Google-Ranking, demnächst um einen Platz in der KI-Zusammenfassung. Noch steht die Entwicklung am Anfang, aber die technologische Lernkurve ist steil. Mit jeder Weiterentwicklung wird sich die Macht und Aufmerksamkeit massiv verschieben. Wer die Datenquellen kontrolliert, kontrolliert auch, was wir Menschen zu sehen bekommen.

Praktisch, aber einseitig

Wenn uns eine KI im Nullkommanichts eine fertige Antwort serviert, schwindet unser Antrieb, weiter zu recherchieren, noch stärker als bisher. Der Mensch nimmt dann vermutlich das, was da steht, allzu gerne als endgültige Wahrheit – oder gibt sich trotz kleiner Zweifel zufrieden. Vielfalt? Zweitmeinungen? Andere Blickwinkel? Interessante Nischenprodukte? Könnte alles auf der Strecke bleiben.

Wir pendeln zwischen positiver Erwartung und leichter Sorge: KI-Browser können das Surfen effizienter machen. Sie sortieren Überflüssiges aus, übernehmen Routinen, füllen auf Wunsch sogar Warenkörbe. Das ist praktisch, wenn man die nächste Reise buchen will, die Nachrichten des Tages schnell mal überblicken möchte und wenig Zeit im hektischen Alltag hat. Aber gerade da sollten wir genauer hinschauen: Wenn die KI die Auswahl trifft, verliert der Mensch den Überblick über Alternativen. Inhalte, die nicht zitiert werden, könnten ja trotzdem interessant sein und uns weiterbringen. Und was wir nicht wahrnehmen, existiert ja trotzdem, oder etwa nicht? Für Journalisten, Blogger, kleine Anbieter und Unternehmer, die nicht viel Geld in die KI-Optimierung ihres digitalen Auftritts stecken können, kann das existenzbedrohend sein – ihre Inhalte verschwinden. Und damit wahrscheinlich Vielfalt und kritisches Denken.

Weckerlin rät den Unternehmen, sich umstellen. Strukturierte Daten, saubere Produktfeeds, maschinenlesbare Inhalte und Content, den die KI als vertrauenswürdig identifiziert, sind das Futter, damit KI-Systeme Informationen zuverlässig verarbeiten können. „Nur technisch saubere und zitierfähige Inhalte schaffen es in die KI-Antwort“, sagt der Online-Marketing-Experte.

Unser Fazit (Stand heute): KI-Browser sind nicht per se schlecht, und aufzuhalten sind sie sowieso nicht. Sie können uns helfen, schneller und gezielter zu recherchieren. Aber die Versuchung, sich mit der erstbesten Antwort zufriedenzugeben, ist allzu groß. Die eigentliche Gefahr liegt nicht in der Technologie, sondern in unserer eigenen Trägheit. Wer sich alles vorkauen lässt, verzichtet freiwillig auf Tiefe und eigene Urteilsbildung. Und genau da sollten wir wachsam bleiben.

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