Silizium statt Graphit: Das Startup NorcSi will 1.800 Kilometer Reichweite auf die Straße bringen

Inbetriebnahme der Blitzlampenanlage. (Bildquelle: NorcSi)

Das Startup NorcSi aus Halle an der Saale arbeitet an einer Batterietechnologie, die E-Autos eine Reichweite von bis zu 1.800 Kilometern pro Ladung ermöglichen soll. Kern der Innovation ist der Austausch eines zentralen Bauteils – Graphit wird durch Silizium ersetzt.

Herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien verwenden Graphit als Material in der negativen Elektrode. Das Anodenmaterial ist eines der wichtigsten Bauteile in wiederaufladbaren Batterien. NorcSi setzt stattdessen auf reines Silizium, das etwa zehnmal mehr Lithium-Ionen aufnehmen kann. „Das ist vergleichbar mit einem Schwamm, der viel mehr Wasser speichern kann“, beschreibt das 2020 aus einer Kooperation vom Dresdner Helmholtz-Zentrum, der TU Bergakademie Freiberg und dem Anlagenbauer Rovak gegründete Unternehmen seine Technologie. Die höhere Speicherfähigkeit bedeutet mehr Energie auf gleichem Raum.

Doch die Verwendung von Silizium hat eine problematische Seite: Das Material schwillt beim Aufladen stark an, dehnt sich im Volumen aus und schrumpft beim Entladen. Das führt zu mechanischen Spannungen, die die Struktur der Anoden zerstören – schon nach wenigen Ladezyklen würde das Material zerbrechen. Bisherige Ansätze im Markt ermöglichen zwar eine Expansion, verursachen aber wieder neue Probleme wie eine vergrößerte Oberfläche und Lithiumverlust. NorcSi hat einen neuen Ansatz: Das patentierte Verfahren des Startups funktioniert so: Kupferfolien werden mit Silizium beschichtet und dann in einem ultrakurzen Heizschritt mit Blitzlampen behandelt. Dadurch entstehen winzige Nanostrukturen, die das Ausdehnen und Zusammenziehen aushalten können. Diese Methode vermeidet komplexe Nanostrukturen und führt zu einer glatteren Oberfläche, was den Lithiumverlust reduziert und die Stabilität verbessert. Das Verfahren ist damit potenziell viel einfacher und kostengünstiger als die genannten Verfahren zur Herstellung von Siliziumanoden.

Das Ziel: Vom Labor in die kommerzielle Produktion

Die Vorteile, die sich im Labor zeigten, sind erheblich: Die NorcSi-Methode ermöglicht eine Verdopplung der Reichweite bei gleicher Batteriegröße, deutlich kürzere Ladezeiten sowie 300 bis 400 Ladezyklen, bevor die Kapazität auf rund 80 Prozent des Anfangswerts sinkt. Die zunächst gering anmutende Zyklenzahl gilt allerdings für Testzellen. Laut Norcsi entspricht das einer Nutzungsdauer von mehreren hundert bis zu etwa 1.000 Ladezyklen im Alltagsbetrieb, da die Laborzyklen meist unter verschärften Bedingungen durchgeführt werden. Ein weiterer Vorteil gegenüber anderen Laborkonzepten der Mitbewerber: Die Herstellung lässt sich im Prinzip nahtlos in bestehende Produktionslinien der Hersteller integrieren. Das NorcSi-Verfahren ist damit bei geringen Materialkosten skalierbar.

Das Startup arbeitet aktuell daran, die Lebensdauer der Ladezyklen weiter zu erhöhen. Um die Entwicklung voranzutreiben, spricht das Unternehmen mit großen Batterie- und Autoherstellern und hofft auf eine kommerzielle Produktion im industriellen Maßstab innerhalb der nächsten zwei Jahre.

Globaler Wettbewerb der Pioniere

Die Auszeichnung mit zwei Innovationspreisen im vergangenen Jahr – den IQ Innovationspreis Halle und Mitteldeutschland – sieht NorcSi als Ansporn, im Rennen um die neue Batterietechnologie den Durchbruch zu schaffen. Die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht: Zahlreiche Unternehmen und Startups weltweit arbeiten an ähnlichen – oft aber auch aufwändigeren – Lösungen für die nächste Generation von Batterieleistung, -effizienz und -sicherheit. Zu den Mitbewerbern zählen zum Beispiel die US-Firmen Sila Nanotechnologies und Group14 Technologies. Sila erhielt 250 Millionen Dollar vom US-Energieministerium und plant den Einsatz in Mercedes-Benz Fahrzeugen. Das niederländische Unternehmen LeydenJar meldete Anfang 2025 ebenfalls einen Durchbruch bei 100-Prozent-Silizium-Anoden.

Unsichere Zukunft der deutschen Batterieforschung

Leider setzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2023 (das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 wurde für verfassungswidrig erklärt) die deutsche Batterieforschung unter Druck, weil die Fördermittel deutlich gekürzt wurden. Nur eine Überbrückungsfinanzierung von 25 Millionen Euro sichert derzeit neue Projekte ab. Experten schlagen deswegen Alarm. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und der Verband der Chemischen Industrie etwa warnen, dass Deutschland durch die Kürzungen bei der Batterieforschung international ins Hintertreffen geraten könnte. Während andere Länder wie China und die USA massiv investieren, drohe Deutschland, seine technologische Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit insbesondere in der Elektromobilität zu verlieren.

Eine Wende erhofft sich die Branche von der neuen Bundesregierung, die sich im Koalitionsvertrag klar zur Förderung der Batterieforschung und -produktion in Deutschland ausgesprochen hat („Der verlässliche Auf- und Ausbau der Batterieforschung über die Kompetenzcluster spielt ebenso wie die vernetzte Mobilität eine zentrale Rolle.“). Die konkrete Ausgestaltung und Finanzierung der Maßnahmen steht allerdings – wie im Koalitionsvertrag vermerkt – unter dem Vorbehalt der Haushaltslage.

Antwort auf geopolitische Herausforderungen

Die Technologie von NorcSi könnte auch eine Lösung für Lieferkettenprobleme bieten und die Rohstoffabhängigkeit Europas von China reduzieren, zumal China seine dominante Stellung bei wichtigen Rohstoffen politisch immer stärker ausspielt. Das Land ist mit einem Anteil von über 70 Prozent der weltweiten Förderung der mit Abstand größte Produzent von natürlichem Graphit. Erst kürzlich hat China die Ausfuhr von Graphit eingeschränkt, was den Batterieherstellern Probleme bereitet. Auch bei der Veredelung und Verarbeitung zu batterietauglichem Material dominiert China den Markt. Das macht die globale Industrie, insbesondere die Batteriebranche, stark abhängig von chinesischen Lieferungen. Der Rohstoff Silizium hingegen, den NorcSi verwendet, ist global in großen Mengen vorhanden und verfügbar.

Sollte NorcSi der Durchbruch gelingen, könnte die Technologie nicht nur in der Elektromobilität, sondern auch in anderen Produkten wie Laptops, Smartphones und Drohnen zum Einsatz kommen – überall dort, wo Lithium-Ionen-Batterien verwendet werden.

Mehr Informationen: Norcsi

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