KI in Kleinunternehmen in Anwendung bringen
KI ist nicht nur eine Technologie für große Konzerne – auch kleine Unternehmen können von ihr profitieren. Siegfried Eckstedt vom Fraunhofer IAIS und KI-Experte bei KI.NRW hilft ihnen dabei, die richtigen Schritte zu gehen. Beim AGEV-Unternehmertreff am 7. November stellte er wertvolle Ansätze und Methoden vor, um die Stärken von KI in konkrete Projekte zu überführen. Ein AGEV-Unternehmertreff zu Beispielen aus der Praxis folgt im Januar 2025.
Siegfried Eckstedt, KI-Transfermanagement KI.NRW, war zum AGEV-Unternehmertreff eingeladen, um einen ganzheitlichen Blick auf das Thema zu werfen und konkrete Methoden vorzustellen, damit auch Kleinunternehmer KI-Projekte anpacken können. Sein Rat an die teilnehmenden AGEV-Mitglieder: „Warten Sie nicht, sich mit den Stärken der KI zu befassen, selbst wenn es nur das einfache Arbeiten mit Chat-geschützten Systemen ist. Wer zögert, blockiert sich den wichtigen Lerneffekt, zu erkennen, was gut funktioniert und was nicht.“
Loslegen statt warten
Viele kleine Unternehmen überlegen, wie sie Künstliche Intelligenz in ihre Geschäftsprozesse integrieren können, um effizienter zu arbeiten und neue Möglichkeiten zu erschließen. An ersten Ideen mangelt es meist nicht, doch viele befinden sich noch in der Erkundungsphase, warten ab oder sind noch nicht so weit, die Möglichkeiten der Technologie konkret zu greifen.
Ein guter Ausgangspunkt für die Einführung von KI ist dem Fraunhofer-Experten zufolge die Entwicklung einer klaren Strategie. Hierbei sei das sogenannte „KI-Strategiehaus“ zu empfehlen, das verschiedene Ebenen umfasst: die Zielausrichtung (was man langfristig erreichen will); die Use Cases (Projekte zu priorisieren, wo KI den größten Mehrwert schafft); die Enabler bzw. Möglichmacher (Voraussetzungen – etwa Daten, Infrastruktur oder Personal –, die für die Umsetzung nötig sind).
Unternehmer haben laut dem KI-Experten am Fraunhofer IAIS häufig die Frage, womit sie anfangen sollen. Er stellt zwei hilfreiche Möglichkeiten vor: den Top-Down- und den Bottom-Up-Ansatz. Bei Top-Down beginnt man mit der Festlegung einer übergeordneten Vision und arbeitet sich dann nach unten vor, um spezifische Anwendungsfälle zu definieren. Diese Methode erlaubt eine ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens. Der Bottom-Up-Ansatz hingegen ist schnell und pragmatisch: Er beginnt mit einem konkreten Anwendungsfall – einer klar definierten Aufgabe oder Herausforderung – und untersucht dann, welche Ressourcen und Enabler benötigt werden, um diese zu erfüllen. Mit den Erkenntnissen, die man daraus zieht, lassen sich die allgemeine Strategie und Zielausrichtung anpassen. „Eine Standortbestimmung zu Beginn ist immer hilfreich, um zu wissen, wohin die Reise gehen soll. Soll die KI beispielsweise intern wirken oder auch extern eine Rolle spielen? Liegt der Fokus eher auf administrativen Prozessen oder geht es um ein Nutzenversprechen gegenüber dem Kunden, z. B. ein neues Serviceerlebnis, optimierte Produkte oder neue Dienstleistungen?“, empfiehlt Siegfried Eckstedt.
Den vielversprechenden Use Case finden
Ein geeigneter KI-Use Case sollte eine klar abgrenzbare Herausforderung lösen und ein konkretes Ziel haben, das ist der schnellste Weg zu einem werthaltigen Einsatz. Folgende Kriterien sind zu beachten: Der Anwendungsfall sollte einen eindeutigen Nutzen für das Unternehmen bzw. die Kunden bringen; es müssen ausreichend und qualitativ hochwertige Daten vorhanden sein oder schnell erhoben werden können; der Prozess sollte sich durch wiederkehrende Muster auszeichnen, die durch KI erkannt und automatisiert werden können; der Use Case sollte im Rahmen der Regulatorik darstellbar, das heißt, innerhalb der geltenden Gesetze umsetzbar sein. „Was die Datenverfügbarkeit angeht, empfehle ich, genauer hinzuschauen. Denn viele Unternehmen gehen davon aus, dass sie auf einem wertvollen Datenschatz sitzen. Das muss aber hinterfragt werden. Deshalb sollte man unbedingt in die Datenexploration einsteigen. Oft stellt sich nämlich heraus, dass die Datenqualität oder das Datenvolumen unzureichend sind oder die Daten für die Fragestellung, die man eigentlich bearbeiten will, nicht zielführend sind“, rät Eckstedt.
Von der Idee zur Umsetzung
Sobald ein geeigneter Anwendungsfall identifiziert ist, gilt es, schrittweise vorzugehen und dabei agil und flexibel zu bleiben. So kann man mit Unsicherheiten umgehen und erste Experimente durchzuführen. Bei der Arbeit in kleinen Schritten kann das Unternehmen schnell lernen und notwendige Anpassungen vornehmen. „Die Technologie sollte immer dem Problem folgen. In Deutschland haben wir leider häufig das Mindset, alles ,overengineeren‘ zu müssen, nach dem Motto ,wenn wir nur genug Technologie haben, wird es schon irgendwie gehen‘. Die Lösung sollte aber dem Problem folgen“, so der KI-Experte. Design Thinking biete sich als methodischer Rahmen an, da dieser nutzerorientierte Ansatz hilft, die Anforderungen der Endnutzer zu verstehen und Lösungen entsprechend zu entwickeln. In einem solchen Prozess würden zunächst die Anforderungen an die KI erfasst und dann konkrete Schritte definiert, um die KI-Lösung in den Geschäftsalltag zu integrieren.
Schnelle Tests und erste Erfolge
Ein einfacher Startpunkt für den Einsatz von KI kann das sogenannte „Prompting“ sein, bei dem bestehende Systeme zur Verarbeitung und Analyse von Dokumenten genutzt werden. Auch wenn Fine-Tuning oder komplexere Systeme später notwendig sein könnten, bietet dieser einfache Einstieg schnelle Ergebnisse und minimiert das Risiko. Dennoch gilt es, die Realität der Businessanforderungen im Blick zu behalten. Während KI-Tools im privaten Kontext gut funktionieren (z. B. beim Verfassen von Grußkarten), sind die Anforderungen in der Geschäftswelt deutlich höher. Oft zeigt sich nach den ersten Tests, dass Daten oder Kontexte nachgeschärft werden müssen. Besonders im geschäftlichen Umfeld erfordert dies häufig ein zusätzliches Fine-Tuning der KI-Modelle, um die speziellen Bedürfnisse eines Unternehmens abzubilden.
Fazit: Schrittweise zur KI in der Praxis
Die Einführung von KI in kleinen Unternehmen erfordert keinen großen, komplexen Plan. Stattdessen sollte man pragmatisch vorgehen, indem man zunächst einen klaren Anwendungsfall definiert und mit kleineren Projekten startet. Durch Tests und iterative Verbesserungen können erste Erfolge erzielt werden, die das Unternehmen nach und nach für die umfassendere Nutzung von KI-Technologien rüsten. Auch wenn die Entwicklung eigener KI-Modelle oft für kleine Unternehmen nicht realistisch ist, können bestehende Lösungen angepasst und genutzt werden, um effizienter zu arbeiten und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Learningplattformen für Einsteiger
Für Unternehmer, die sich erstmals mit dem Thema beschäftigen, empfiehlt der KI-Experte die Lernplattform deeplearning.ai, die zahlreiche kostenlose Einführungsformate, Tutorials und Anleitungen anbietet.
Unterstützung durch Kompetenzplattform KI.NRW
KI.NRW mit Sitz am Fraunhofer IAIS in Sankt Augustin bündelt Wissen und Erfahrung aus den Bereichen Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Netzwerkarbeit und Beratung. Als zentrale Anlaufstelle erleichtert KI.NRW Unternehmen, mittelständischen Firmen und Startups den Einstieg in die KI, informiert über Best Practices und neuste Trends und vernetzt kompetente Partner zur Entwicklung einer KI-Strategie, der Umsetzung von KI-Projekten und der Qualifizierung von Personal.
Siegfried Eckstedt gehört zum Team Transfermanagement am KI.NRW
Mehr Informationen zur kostenfreien Unterstützung von KI.NRW finden Sie hier.
Weitere News aus dieser Kategorie
25. November 2024
Editorial AGEV im Dialog November 2024
Das Entsetzen über den Ausgang der US-Wahl mit ihren gruseligen Folgen und die…
25. November 2024
Kein Recht an den eigenen Daten!?
Ein AGEV-Mitglied wollte seine private Handynummer aus der Bing-Suche löschen…
25. November 2024
Hörtipp: Unternehmer-Podcast „Der Moment“
Weder Innovationen noch Menschen entwickeln sich linear. Im Podcast „Der…