Serie Urban Mining: Elektroschrott – ein Rohstoffschatz liegt brach

Ausgediente Elektrogeräte enthalten wertvolle Metalle, die als Sekundärrohstoffe wiederverwendet werden können. Doch in Deutschland wird viel zu wenig Elektroschrott gesammelt. Anreizsysteme fehlen nicht nur hier, sondern auch beim „Recht auf Reparatur“, das zu einem längeren Lebenszyklus der Geräte beitragen soll.

Ralf Rang sammelt ausrangierte Handys und Tablets für den guten Zweck. (Bildquelle: Privat)

Ralf Rang macht im Kleinen vor, wo die Reise hingehen muss. In seinem Geschäft in Rheinbach steht eine Sammelbox für alte Handys und Tablets. Rund 1.300 ausrangierte Geräte hat der selbstständige Schuhmacher bereits gesammelt und an den Kölner Zoo weitergegeben. Das Geld, das der Tierpark für den „Schrott“ erhält, fließt in ein Artenschutzprojekt für Gorillas und Bonobos. Was haben Handys mit Affen zu tun? Die Geräte enthalten das Erz Coltan, das im Lebensraum der Tiere im Kongo vorkommt. Weil die weltweite Nachfrage nach smarter Technik rasant steigt, werden immer mehr Minen benötigt, um die begehrten Rohstoffe abzubauen. Der Lebensraum der Tiere droht zu verschwinden. Die wertvollen Metalle in den gesammelten Handys können zu Sekundärrohstoffen aufbereitet werden. Würde dies in großem Stil mit allen ausgedienten Elektrogeräten geschehen, würde das den weltweiten Bedarf an Primärrohstoffen zwar nicht bremsen, doch mehr verfügbare Sekundärrohstoffe bedeuten: mehr Rohstoffe im Kreislauf zu halten, Treibhausgasemissionen zu reduzieren, die Artenvielfalt zu schützen, natürliche Ressourcen zu schonen – und die Chance, Rohstoffimporte aus konfliktbehafteten Regionen zu reduzieren.

Ein effektives System fehlt

Vom lobenswerten lokalen Beispiel aus Rheinbach zum Blick auf das große Ganze. Das Stichwort „Schubladenhandys“ wird oft verwendet, um das Rohstoffpotenzial zu verdeutlichen, das in Elektroschrott steckt: Nach einer Berechnung des Digitalverbands Bitkom lagen im Jahr 2022 rund 210 Millionen Geräte mit einem Metallwert von rund 240 Millionen Euro ungenutzt in deutschen Haushalten. Warum sich Verbraucher nicht von ihren alten Smartphones und Tablets trennen? Das kann die Sorge um die privaten Daten sein, die Unwissenheit über die Entsorgungswege oder mangelndes Bewusstsein für den Ressourcenschatz, der in Altgeräten schlummert. Mit den tausenden Tonnen an Kobalt, Gold, Kupfer und anderen wertvollen Rohstoffen ließe sich laut Bitkom der Materialbedarf für neue Smartphones über einen Zeitraum von zehn Jahren decken. Doch statt geschürft wird gehortet oder in den Restmüll geworfen – ein Dilemma, denn die Lebensdauer der meisten Elektrogeräte ist derzeit noch viel zu kurz während die Nachfrage nach Technik weltweit steigt. Eine zentrale Voraussetzung, um die urbane E-Schrott-Mine stärker zu aktivieren, ist daher eine hohe E-Schrott-Sammelquote.

Gesammelt und recycelt wird zwar in Deutschland, aber immer noch viel zu wenig und ohne ein wirklich effizientes System. Die Mindestsammelquote von 65 Prozent, zu der die EU ihre Mitgliedsstaaten verpflichtet, wird hierzulande nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes mit 39 Prozent deutlich verfehlt (2021). Die Quote ist gegenüber dem Vorjahr sogar gesunken. Die Deutsche Umwelthilfe hält diese Zahlen für „immer besorgniserregender“, auch weil nur 1,6 Prozent der gesammelten Altgeräte – die neben wertvollen Rohstoffen auch viele Schadstoffe enthalten – für eine Wiederverwendung aufbereitet werden.

Mangelnder Wille und fehlende Sichtbarkeit

Abgabemöglichkeiten gibt es für die Verbraucher theoretisch genug: Sie können ihre ausgedienten Elektrogeräte umsonst bei den kommunalen Wertstoffhöfen, im Elektrofachhandel, bei zertifizierten Schrotthändlern und über das dichte Netz der großen Supermärkte und Discounter abgeben, die seit Juli 2022 gesetzlich zur Rücknahme verpflichtet sind. Dass dennoch tonnenweise Altgeräte im Restmüll landen, auf Deponien verrotten oder verbrannt werden, muss einen Grund haben. Ist es die Ignoranz der Konsumenten, sind sie nicht ausreichend aufgeklärt oder wird es ihnen nicht leicht genug gemacht? Eric Schweitzer, Inhaber und CEO von Alba, einem der führenden Dienstleistungsunternehmen für Recycling und Rohstoffversorgung in Europa, kritisiert in der Zeitung für kommunale Wirtschaft die deutsche Praxis: „Stichproben von Alba zeigen, dass kaum ein Discounter Rückgabestellen für die Kunden eingerichtet hat. Für die neue Rückgabemöglichkeit wurde und wird noch immer nicht geworben. Arbeitet man nicht in der Abfallbranche oder benachbarten Berufsfeldern, wird man kaum etwas von der Rückgabereform mitbekommen haben.“ Für den Erfolg des Rücknahmenetzes müssten Händler stärker in die Pflicht genommen und Verbraucher besser informiert werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Testbesuche der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Es ist ein Armutszeugnis, dass wir trotz einer gesetzlichen Rücknahmepflicht in mehr als der Hälfte aller von uns getesteten Supermarkt- und Drogeriemarktfilialen keine Elektroaltgeräte abgeben konnten.“ Oftmals wiesen nur leicht übersehbare, versteckte und kleine Schilder in den Märkten auf die Abgabemöglichkeit hin.

Best-Practice-Land ist unser Nachbar Schweiz: Hier liegt die Sammelquote für Elektroschrott bei 95 Prozent. Konsumenten haben es leicht: Das sehr dichte Netz an offiziellen Sammelstellen und Rückgabestellen im Handel ist nicht zu übersehen. Ausgediente elektronische Geräte nimmt man einfach beim nächsten Einkauf mit, gibt sie ab – fertig. Hier zeigt sich, dass ein Anreizsystem, das es den Verbrauchern so einfach wie möglich macht, seine Wirkung nicht verfehlt.

Recht auf Reparatur: Die richtigen Anreize setzen

Anreize sind auch ein wichtiges Stichwort, wenn es darum geht, Müllberge gar nicht erst entstehen zu lassen. Für elektronische Geräte hat die EU das „Recht auf Reparatur“ und neue Ökodesign-Anforderungen auf den Weg gebracht, damit Geräte von vornherein reparaturfähig designt und häufiger repariert statt neu gekauft werden. Das reicht aber nicht aus. Derzeit lohnt sich der Reparaturansatz kaum, weil Reparaturen zu lange dauern und die Kosten teilweise höher sind als ein Neukauf. Digitalverbände wie der Bitkom und auch die AGEV fordern daher von der Politik, die richtigen Anreize zu setzen, um die Reparaturen von Geräten zu fördern. AGEV-Geschäftsführer Franz J. Grömping hält eine Spreizung der Mehrwertsteuer für unbedingt erforderlich: „Ohne steuerpolitische Instrumente kommt die Kreislaufwirtschaft nicht voran. Sie sind ein Anreiz für Verhaltensänderungen und geben gleichzeitig der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt neue Impulse. Ein Mehrwertsteuersatz ,0‘ für Reparaturen ist dringend geboten, um diese rentabel zu machen. Neue Geschäftsmodelle könnten entstehen und bestehende tragfähig werden.“ Schweden hat schon vor Jahren die Steuern auf Reparaturen von Elektrogeräten, Kleidung und Fahrrädern gesenkt, um Reparaturen rentabel zu machen. Und dass Anreize tatsächlich etwas bewirken können, zeigt auch der Reparaturbonus in Thüringen – ein gemeinsames Projekt des Umweltministeriums und der Verbraucherzentrale des Landes. Thüringer Bürger, die ein kaputtes Elektrogerät reparieren lassen, bekommen die Hälfte der Reparaturkosten erstattet – bis maximal 100 Euro pro Person und Kalenderjahr. Wer in einem Reparaturcafé selbst schraubt und bastelt, bekommt sogar die Hälfte der Ersatzteilkosten erstattet. Die Nachfrage ist enorm, mit dieser Resonanz hatte keiner der Initiatoren gerechnet. Thüringens Umweltministerium sieht darin ein politisches Signal: Der Erfolg zeige, wie viele Menschen Elektroschrott vermeiden und damit die Umwelt schützen wollen.

Altgeräte zurückgeben – eine Auswahl an Möglichkeiten

Über die folgenden Organisationen mit hohen Umweltstandards kann man ausgediente Smartphones und Tablets in den Wertstoffkreislauf zurückführen:

  1. Naturschutzbund Deutschland (NABU)
    Zusammen mit der Telefonica Deutschland Group sammelt der NABU alte Handys und Tablets. Man kann die Geräte direkt einsenden oder bei einer Sammelspende in der Umgebung abgeben. Infos beim NABU
  2. Kommunale Sammelstellen/Wertstoffhöfe
  3. Der Handel: Größere Geschäfte für Elektrogeräte sind zur Rücknahme verpflichtet, seit Juli 2022 auch Lebensmittelgeschäfte und Discounter ab 800 Quadratmetern (Rücknahme von Geräten bis 50 cm).
  4. Sammlung von Dienstgeräten – eine Initiative der Deutschen Umwelthilfe
    Für Unternehmen, Organisationen und Behörden eine sichere und umweltfreundliche Abgabemöglichkeit von gebrauchten Diensthandys und Tablets. Datenschutz hat Priorität. Infos bei handysfuerdieumwelt.de
  5. Handysammelaktionen und Sammelstellenfinder der Telekom. Zur Aktionsseite