Technologien gegen die Wasserknappheit

Wasserknappheit ist das große Zukunftsthema der Menschheit und auch mitten in Europa längst keine Seltenheit mehr. Deshalb arbeiten Wissenschaft und Wirtschaft an innovativen Technologien, um das Problem des Wassermangels in trockenen Regionen zu lindern.

Bildquelle: pixabay.com

Die Vereinten Nationen prognostizieren, dass 2050 weltweit rund fünf Milliarden Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Wasser haben könnten, heute sind es bereits 2,2 Milliarden. Viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent, in Lateinamerika oder Südasien kennen bereits den harten Kampf ums Wasser. Wenn auch nicht vergleichbar dramatisch, so sind Meldungen über Wassermangel in den letzten Jahren auch in Europa immer häufiger: niedrige Wasserstände in Flüssen und Stauseen, sinkende Grundwasserspiegel, ausgetrocknete Felder oder eine Notversorgung von Ortschaften mit Wassertanks wie jüngst in Frankreich, all das sind Anzeichen dafür, dass auch bei uns der große Kampf um die lebenswichtige Ressource begonnen hat und in den Köpfen angekommen ist. Noch ist Wasser für viele Menschen ein selbstverständliches Gut. In Deutschland verbraucht eine Person täglich knapp 130 Liter Wasser zum Trinken, Putzen, Waschen und Kochen. Rechnet man die Herstellung von Nahrungsmitteln, Kleidung, Gebrauchs- und Konsumgütern hinzu, erhöht sich unser konsuminduzierter Wasserfußabdruck laut Berechnungen des Umweltbundesamts auf 7.200 Liter pro Person und Tag. 86 Prozent davon stammen aus dem Ausland.

Fragt sich, wie lange das Rasensprengen mit Trinkwasser noch eine Selbstverständlichkeit sein wird. Um einen sparsameren Umgang mit der Ressource wird auch das wasserverwöhnte Deutschland nicht herumkommen, zumal die Wasservorkommen auch hier rapide schrumpfen. So ist laut aktuellen Daten des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) der Wasserspeicher in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren um 15.200 Millionen Kubikmeter gesunken. Das entspricht etwa Zweidrittel des jährlichen Gesamtwasserverbrauchs aller Sektoren – Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalte. Ein eigenes Wasserministerium wie in Indien oder Kalifornien, wo die Wasserknappheit bedrohliche Ausmaße angenommen hat, wird es hierzulande so schnell nicht geben, aber immerhin hat die Regierung eine „Nationale Wasserstrategie“ auf den Weg gebracht, die mit rund 80 Maßnahmen sicherstellen soll, dass Deutschland bis 2050 mit ausreichend Trinkwasser versorgt bleiben wird.

Wissenschaft, Unternehmen und Startups haben sich der wachsenden Nachfrage nach sauberem Wasser bereits angenommen, erforschen neue Technologien und bringen sie auf den Markt, um die Versorgung in trockenen Regionen zu verbessern. Wir stellen fünf bemerkenswerte Lösungen vor.

Ideen und Technologien zur Wassergewinnung

  1. Wasser aus der Luft gewinnen
    Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) hat ein Verfahren entwickelt, um Wasser aus der Luft zu gewinnen. Denn auch in ariden Regionen gibt es Wasser – als Feuchtigkeit gebunden in der Luft. Bei dem Verfahren nimmt eine hochkonzentrierte Salzlösung Feuchtigkeit aus der Luft auf. So entsteht eine niedriger konzentrierte Salzlösung, aus der das Wasser mit Hilfe eines Vakuumverdampfers vom Salz getrennt wird. Derzeit wird die Technologie an einer von regenerativer Energie betriebenen Demonstrationsanlage erprobt, um sie weiter zu optimieren und zur Marktreife zu entwickeln. Das Verfahren könnte eines Tages in vielen trockenen Gebieten einen Beitrag zur Trinkwasserversorgung der Bevölkerung leisten.
  2. Nebel fangen
    An entlegenen Orten, wo selbst unsauberes Wasser knapp ist, aber viel Nebel herrscht – etwa in der nordchilenischen Atacamawüste oder im marokkanischen Atlasgebirges – machen sogenannte Nebelkollektoren das, was auch Bäume oder Gräser von Natur aus tun. Wenn Nebelschwaden durch die Netze ziehen, bleiben winzige Wassertröpfchen an den Fasern hängen und rieseln in einen Wasserspeicher. Die Idee ist nicht neu, in Peru, Chile, Marokko und Südafrika haben die Netze eine lange Tradition. Sinnvoller wird ihr Einsatz aber, wenn die Nebelkollektoren effizienter und langlebiger werden. Dem Industriedesigner Peter Treutwein ist es mit seiner Münchner Firma Aqualonis gelungen, einen serienmäßigen Nebelfänger zu produzieren, der auch hohen Windgeschwindigkeiten bis zu 120 km/h standhält, sich unkompliziert montieren lässt, keine Energie benötigt und wartungsarm ist. Sein größtes Nebelkollektoren-Projekt wurde in einer marokkanischen Bergregion umgesetzt, wo 31 Kollektoren stehen. Die 1.600 Einwohner, die zuvor mit Wassertrucks versorgt wurden, erhalten das Wasser jetzt über ein kilometerlanges Leitungssystem im Boden.
  3. Wasser mit UV-Licht reinigen
    Eine pragmatische Lösung zur Trinkwassergewinnung hat das Wiener Startup Helioz entwickelt. Bei der solaren Wasserdesinfektion werden PET- oder Glasflaschen mit Wasser befüllt und so lange der UV-Strahlung ausgesetzt, bis das Wasser von Verunreinigungen befreit und trinkbar ist. Ein kostengünstiges UV-Messgerät neben der Flasche zeigt an, wann dies der Fall ist. Die Methode wurde vom Schweizer Wasserforschungsinstitut Eawag entwickelt und ist von der WHO und UNICEF anerkannt. Das Startup will mit der Lösung Millionen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen. Eine Reihe von Projekten hat das junge Unternehmen bereits umgesetzt. In Zusammenarbeit mit Caritas Indien zum Beispiel erhalten über 5.000 Menschen in Madhya Pradesh und Maharashtra durch die einfache solare Wasserdesinfektion Zugang zu sauberem Wasser, das sie zuvor abkochen oder mit Zusätzen reinigen mussten.
  4. Nachhaltige Meerwasserentsalzung
    Die Entsalzung von Meerwasser ist eine seit langem genutzte, sichere, aber teure Methode zur Gewinnung von Trinkwasser. Dabei wird das Salz in speziellen Anlagen, von denen es über 20.000 weltweit gibt, durch eine Membran oder durch Verdampfung vom Wasser getrennt. Vor allem im Nahen Osten und Nordafrika sind Entsalzungsanlagen ein unverzichtbarer Bestandteil der Trinkwasserversorgung. Die Technik ist jedoch wegen ihrer negativen Umweltauswirkungen umstritten, weil sie energieintensiv ist und giftige Sole hinterlässt, die meist ins Meer geleitet wird. Die hohe Salzkonzentration schadet dem Ökosystem Meer und seinen Lebewesen. Technologische Innovationen könnten die Anlagen umweltfreundlicher machen, indem sie mit Sonnen- und Windenergie betrieben werden. Ein weiterer Forschungsansatz: die Sole an Land zu lassen und die darin enthaltenen Rohstoffe zu gewinnen. Seit 2020 erforscht das von der EU-geförderte Projekt Sea4Value neue Technologien, um aus dem giftigen Abfall Magnesium, Scandium, Vanadium, Gallium sowie andere Mineralien und Metalle zurückzugewinnen. Diese könnten beispielsweise für die Produktion von Smartphones, Photovoltaik und Halbleiter-Technologien genutzt werden und damit zur Unabhängigkeit Europas von Primarrohstoffen beitragen.
  5. Wolken anzapfen
    „Cloud Seeding“, auch Wolkenimpfung genannt, ist eine komplexe Technik zur Wetterbeeinflussung, die seit Jahrzehnten im Labor erprobt wird. In der Praxis schießt ein Flugzeug am unteren Ende von Kumuluswolken Natriumchlorid- und Kaliumchloridpartikel in die Wolken ein. Wenn die Partikel mit dem Aufwind aufsteigen, ziehen sie winzige Wassertröpfchen an, werden schwer und regnen ab. Allerdings ist es schwer, genau diesen wichtigen Moment des Aufwinds zu erwischen. Vor allem in den Emiraten, wo der Wassermangel immens ist und der Grundwasserspiegel seit Jahren sinkt, wird das Wolkenimpfen mit Millionenaufwand intensiv erprobt, um landwirtschaftliche Flächen zu bewässern. Viele Staaten wollen diesem Beispiel folgen. So hat China bereits angekündigt, bis 2025 mehr als die Hälfte des Landes mit künstlichem Regen befeuchten zu wollen. Auch Marokko und Äthiopien investieren in die Technologie. Eine noch neue Methode des „Cloud Seeding“ testen die Vereinigten Arabischen Emirate zusammen mit britischen Wissenschaftlern. Dabei sollen Drohnen die Wolken zum Abregnen bringen, indem sie diese mit elektrischen Impulsen impfen. Die aufgeladenen Tröpfchen sollen sich dann durch elektrostatische Kräfte zusammenballen und abregnen.