Selbstständige unverzichtbar
Von der einst versprochenen Rechtssicherheit für Selbstständige ist nichts zu sehen. Dabei bescheinigt eine neue Studie den Selbstständigen, eine wesentliche Säule bei der Digitalisierung zu sein. Trotzdem werden Selbstständige von großen Teilen der Politik weiterhin als „Prekariat“ verunglimpft und in ungewollte abhängige Beschäftigungsverhältnisse gedrängt. Das muss sich endlich ändern, fordert die AGEV.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat die Rolle von Solo-Selbstständigen und Werkvertragsbeschäftigten in deutschen Unternehmen für das Jahr 2021 untersucht. Demnach beschäftigt jedes vierte Unternehmen externe Dienstleister. Gründe hierfür sind ein zeitlich begrenzter, zusätzlicher Personalbedarf sowie ein Bedarf an spezifischem Fach-Know-how, der durch die eigene Belegschaft nicht gedeckt werden kann. Letzteres spielt vor allem im Bereich von digitalen Technologien – also bei Programmierung, Webdesign, E-Commerce etc. – eine wichtige Rolle.
Unternehmen federn Fachkräftemangel durch Selbstständige ab
Der Fachkräftemangel im Bereich digitaler Technologien ist aus Sicht der Unternehmen mittlerweile eines der größten Hemmnisse für Digitalisierungsprozesse, heißt es in der IW-Studie. Die kurzfristige Verfügbarkeit von Fremdpersonal sei daher für viele Unternehmen eine Art „Versicherung“, um insbesondere zeitkritische Projekte nicht zu gefährden. Selbstständige und Werkvertragsbeschäftigte würden den Betrieben somit helfen, wirtschaftliche Unsicherheiten zu reduzieren.
Der Einsatz von Fremdpersonal wirkt sich laut IW auch positiv auf die Geschwindigkeit von Digitalisierungsprozessen aus. So hätten Unternehmen mit Fremdpersonal in den vergangenen Jahren im Durchschnitt mehr digitale Technologien eingeführt als vergleichbare Unternehmen ohne Fremdpersonal. Das IW bescheinigt Selbstständigen und Werkvertragskräften daher eine „Katalysatorrolle“ für digitale Transformationsprozesse. Dies gelte umso mehr, wenn es um innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz, Fintech, Cloud Computing, Big Data oder Virtual Reality geht. Gerade in diesen Bereichen lohne sich der Einsatz von Selbstständigen, die über hochspezialisiertes Know-how verfügen.
Die meisten Selbstständigen brauchen keine staatliche Hilfe
„Die IW-Studie zeigt deutlich, dass Selbstständige für unsere Volkswirtschaft unverzichtbar sind“, sagt AGEV-Geschäftsführer Franz J. Grömping. „Dennoch wird die Selbstständigkeit von Politik und Medien gerne in ein schlechtes Licht gerückt. So wird behauptet, Selbstständige würden schlecht bezahlt und würden keine Altersvorsorge betreiben. Das ist aber ein einseitiges Bild, das in den meisten Fällen weit von der Realität entfernt ist“, so Grömping. „Laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen von Selbstständigen sogar über dem von abhängig Beschäftigten. Da viele Unternehmen auf die Kompetenz und Verfügbarkeit externer Fachkräfte angewiesen sind, können gut ausgebildete Selbstständige ihre Honorare oft zu Höchstpreisen anbieten und brauchen keine staatliche Unterstützung, schon gar nicht, wenn diese Hilfe mit Rechtsunsicherheit für die Auftraggeber verbunden ist.“ Damit werde nur Wenigen geholfen, den Meisten dafür aber ein Bärendienst erwiesen, so der AGEV-Geschäftsführer.
Rechtssicherheit für Selbstständige gefordert
Die AGEV und andere Verbände mit selbstständigen Mitgliedern fordern seit langem, endlich klare Positivkriterien festzulegen, wie es im Koalitionsvertrag der jetzigen Koalition versprochen wurde. Andreas Lutz vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. (VGSD) konstatiert, dass von diesem Versprechen nichts umgesetzt worden sei – ganz im Gegenteil. Die Unsicherheit sei größer denn je: „Die Sozialgerichte entscheiden nach kaum nachvollziehbaren und teilweise absurden Kriterien, ob jemand als Scheinselbstständiger gilt oder nicht.“
Wird eine Scheinselbstständigkeit festgestellt, sind die Folgen für die Auftraggeber immens. Bis zu vier Jahre können Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden. In einigen Fällen droht sogar eine strafrechtliche Verfolgung. Aber auch für Selbstständige sind die Folgen fatal, denn mit dem Verlust des Status als selbstständig Tätiger geht in der Regel auch die Existenzgrundlage verloren, in die über Jahre viel Geld und Arbeit investiert wurde. Wenn sich nichts ändert, ist zu befürchten, dass sich immer weniger Unternehmen und Selbstständige diesen unkalkulierbaren Risiken aussetzen wollen. Damit besteht die Gefahr, dass noch mehr der besten Fachkräfte ins Ausland abwandern und Deutschland bei den wichtigen Zukunftstechnologien noch weiter zurückfällt.
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