Das Ringen um grüne Rechenzentren

Der Datenverkehr rund um den Globus verdoppelt sich alle 18 Monate. Etwa zwölf Prozent des Strombedarfs gehen auf das Konto digitaler Technologien – Stand heute. All das ist erst der Anfang. Nun rücken die Rechenzentren als das Rückgrat der Digitalisierung in den Fokus der Debatte um mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit.

Der weltweite Appetit auf Digitales ist kaum zu stillen. Ob es Kryptowährungen, Remote-Arbeitswelten, Cloud-Boom, Streaming oder autonome Autos sind – mit jedem Tag wächst das Volumen digitaler Anwendungen und damit der gigantische Bedarf an Energie, um die Rechenarbeit und das Speichern von Big Data zu bewältigen. Man nehme nur das energieintensive digitale Schürfen: Es verschlingt einer aktuellen Studie zufolge nicht nur Strommengen, die ganze Länder versorgen könnten, es ist auch besonders klimaschädlich. Forscher von der University of New Mexico in Albuquerque, Texas, rechnen dem globalen Mining im Jahr 2020 einen Stromverbrauch von 75,4 Terawattstunden zu – mehr Energie, als Österreich (69,9 TWh) oder Portugal (48,4 TWh) in dem Jahr nutzten. Was die Klimaschädlichkeit von Kryptowährungen betrifft, ist auch das Bild, das Forscher der Universität Cambridge zeichnen, kaum beruhigender: Demnach stammen rund 61 Prozent des Stroms, der für das digitale Schürfen genutzt wird, aus nicht-erneuerbaren Energiequellen.

Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitspotenziale nutzen

Lösungen, um gegenzusteuern, müssen auf den verschiedensten Ebenen und Feldern entwickelt und umgesetzt werden, um überhaupt einen Effekt zu erzielen – von effizienterer Hardware über eine bessere Auslastung sämtlicher Ressourcen bis hin zum Verhalten der Endverbraucher. Ein aktuell viel diskutierter Hebel ist die Umstellung der Rechenzentren auf „grün“. Das Potenzial ist groß, denn ohne die Großrechneranlagen geht bei der Digitalisierung nichts. Sie sind jedoch die reinsten Stromfresser. Allein in Deutschland gibt es rund 3.000 große und 50.000 kleine Rechenzentren mit einem jährlichen Strombedarf von 16 Milliarden Kilowattstunden.

Abwärme nutzen

Dass Rechenzentren nicht auf Gedeih und Verderb klimaschädlich arbeiten müssen, sondern einen grünen Mehrwert leisten können, zeigen Konzepte, nach denen zum Beispiel die Abwärme der Datacenter Haushalte, kommunale Einrichtungen oder Gewerbebetriebe in ihrer nahen Umgebung versorgen könnte – etwa für Heizungen oder Warmwasser. In fortschrittlichen Ländern wie Schweden ist das durchaus schon gängige Praxis. Rund 42 Prozent der von deutschen Rechenzentren verbrauchten Energie verpufft derzeit allerdings noch ungenutzt. Laut einer Studie des Digitalverbands Bitkom ließen sich durch die Anbindung von Rechenzentren an öffentliche und private Fernwärmenetze jährlich rund 350.000 deutsche Wohnungen versorgen – was zudem die Energiebilanz der Rechenzentren verbessern würde. Das Potenzial liege jedoch noch „weitgehend brach“, so der Verband, da entsprechende Wärmenetze fehlen oder nicht nutzbar seien. Eine der Hürden: Die Abwärme müsste mithilfe von Großwärmepumpen zunächst auf die höheren Temperaturen der Fernwärmenetze hochgefahren werden. In ländlichen Gegenden lässt sich das Konzept ohne enorme Aufwände kaum umsetzen, im urbanen Raum dafür umso mehr, etwa in Frankfurt am Main, einem Ballungszentrum, wo nicht nur viele Rechenzentren stehen, sondern auch viele Menschen leben. Der hier ansässige Rechenzentrenbetreiber Telehouse geht mit gutem Beispiel voran. Das Unternehmen hat ein Abwärmeprojekt ins Leben gerufen, von dem rund 3.000 Menschen in der Nachbarschaft des Rechenzentrums profitieren.

Bringt das Energieeffizienzgesetz die Lösung?

Mit ihrem Energieeffizienzgesetz – einem ganzen Bündel an Maßnahmen – will die Bundesregierung auch die deutschen Rechenzentren massiv in die Pflicht nehmen. Bis 2027 sollen diese klimaneutral werden, wie der aktuelle Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorsieht. Und auch die Nutzung der Abwärme für Fernwärmenetze soll Teil der Definition nachhaltiger Rechenzentren sein. So sollen die größeren Rechenzentren hierzulande die Abwärme ab 2028 vollständig wiederverwenden müssen. Außerdem sollen sie der zuständigen Kommune und dem Betreiber des nächsten Wärmenetzes mitteilen, wie viel Abwärme sie zu welchem Preis zur Verfügung stellen können. Der Entwurf des Energieeffizienzgesetzes sorgt für einige Aufregung in der Digitalbranche und Grund dafür sind auch die Abwärmepläne. Eco-Geschäftsführer Alexander Rabe betrachtet den Entwurf als „nicht zu Ende gedacht.“ Es fehle nicht an der Bereitschaft der Rechenzentrenbetreiber, Abwärme abzugeben, aber sehr wohl an politischen Rahmenbedingungen, um einen Markt der Abnehmer zu etablieren. Städtische Energieversorgungsunternehmen müssten zur Abnahme verpflichtet werden und deutlich bessere Zugänge zu den Wärmenetzen und Einspeisemöglichkeiten etabliert werden. „Was soll es bringen, wenn Rechenzentrenbetreiber ihre Datacenter kostenintensiv perfekt auf Abwärmegewinnung umrüsten und dann niemand da ist, um die gewonnene Abwärme auch abzunehmen und dem Markt zur Verfügung zu stellen?“, fragt Rabe. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) sieht die Wärmenetzbetreiber ebenfalls in der Pflicht, die sich häufig sperrten. Nicht alle Wärmenetzbetreiber seien heute aufgeschlossen für die Einbindung von Abwärme in ihre Netze. Der DENEFF empfiehlt daher einen Einspeisevorrang für klimaneutrale Wärmequellen gegenüber fossiler Wärme.

Das Energieeffizienz wird aller Voraussicht nach im kommenden Jahr abgestimmt. Das Kabinett muss sich einigen, bevor das Gesetz den Bundestag passiert. Vor allem aus den Branchenverbänden und dem Finanz- und Bauministerium kommt Kritik. Bis zur Verabschiedung wird also vermutlich noch mit einigen Anpassungen zu rechnen sein.