Der Weg zum passenden KI-Modell

Die Integration von ChatGPT und anderen KI-Tools in den Arbeitsalltag von Selbstständigen steckt oft noch in den Kinderschuhen. Wir sprechen mit Michael Weckerlin, SEO-Experte und KI-Trainer, über die Steigerung der Produktivität, das Potenzial guter Prompts, persönliche KI-Assistenten – und das Wichtigste für Einsteiger: „Einfach mal ausprobieren!“

Michael Weckerlin (Foto: Thomas Winkelmeyer)

AGEV: Der Einsatz von KI-Tools unter Selbstständigen ist ausbaufähig, viele beschäftigen sich noch wenig damit. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Michael Weckerlin: Dafür gibt es meiner Meinung nach mehrere Gründe: Vielen Selbstständigen sind die vielfältigen Möglichkeiten, die KI-Tools wie ChatGPT bieten, gar nicht bewusst. Angesichts der rasanten Entwicklung fällt es ihnen schwer, auf dem Laufenden zu bleiben. Selbst für mich, der ich mich eingehend mit der Materie befasse, ist es eine anspruchsvolle Aufgabe, immer auf dem neusten Stand zu bleiben. Hinzu kommt in manchen Fällen ein mangelndes Technologieverständnis gepaart mit Skepsis gegenüber Neuem. Bedenken hinsichtlich Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Sicherheit können ebenfalls eine Hürde darstellen. Hier ist Aufklärung und Schulung der Schlüssel. Oft haben sich Selbstständige über Jahre hinweg bestimmte Arbeitsweisen angeeignet und zögern, diese für neue Technologien von Grund auf zu ändern. Dennoch beobachte ich in meinen Seminaren eine positive Entwicklung: Die Fachkenntnis und Erfahrung der Teilnehmenden im Umgang mit ChatGPT steigen. Vergleiche ich meine ChatGPT-Seminare der letzten zwölf Monate, zeigt sich, dass die Teilnehmenden deutlich versierter im Umgang mit der Technologie werden. Mit gezielter Aufklärung und praxisnahen Schulungen kann (und sollte) diese positive Entwicklung weiter vorangetrieben werden.

AGEV: Wie hoch schätzen Sie die Produktivitätssteigerung durch KI bei alltäglichen Aufgaben ein?

Michael Weckerlin: Sie kann je nach Einsatzgebiet stark variieren. In meinen eigenen Arbeitsabläufen konnte ich durch den gezielten Einsatz von KI-Tools eine Produktivitätssteigerung von bis zu 75 Prozent erzielen. Eine gemeinsame Studie der Boston Consulting Group (BCG) und der Harvard Business School (HBS) untersuchte die Auswirkungen von KI, insbesondere GPT-4, auf die Produktivität. Die Ergebnisse zeigen, dass Berater, die KI einsetzten, im Durchschnitt 12,2 Prozent mehr Aufgaben erledigten und 25,1 Prozent schneller arbeiteten als ihre Kollegen ohne KI-Zugang. Zudem war die Qualität der von KI unterstützten Arbeit um mehr als 40 Prozent höher als die der Kontrollgruppe. Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der Studie: Berater vertrauten oft den von der KI generierten Antworten, selbst wenn diese falsch waren. Der Einsatz von KI kann zwar in vielen Bereichen zu einer signifikanten Steigerung der Produktivität und Qualität führen. Allerdings ist es wichtig zu beachten, dass die tatsächliche Produktivitätssteigerung stark von den spezifischen Anwendungsfällen abhängt. Zudem ist es wichtig, die Grenzen der KI zu verstehen und nicht blind auf ihre Ergebnisse zu vertrauen – Stichwort Human-in-the-Loop.

AGEV: Gibt es Möglichkeiten, einfach mal verschiedene Modelle auszuprobieren, um das Richtige für sich zu finden?

Michael Weckerlin: Ja, es gibt tatsächlich eine Plattform namens Poe.com, die genau das ermöglicht. Poe.com wurde von Quora entwickelt und bietet Nutzern die Möglichkeit, mit einer Vielzahl von KI-Chatbots zu interagieren und verschiedene Sprachmodelle wie GPT-4, GPT-3.5-Turbo, Claude von Anthropic, PaLM und Llama 2 auszuprobieren. Die Plattform überzeugt durch ihre Benutzerfreundlichkeit und intuitive Oberfläche, die sowohl auf Desktop-Computern als auch auf mobilen Geräten verfügbar ist. Es gibt eine kostenlose Basisversion mit eingeschränkten Funktionen und täglichen Nachrichtenlimits, während ein kostenpflichtiges Abonnement Zugang zu fortschrittlicheren Modellen wie GPT-4 und Claude-2 gewährt. Darüber hinaus können Nutzer auf Poe.com auch ihre eigenen Chatbots erstellen. So lassen sich verschiedene KI-Modelle für unterschiedliche Anwendungen wie Textgenerierung, Codierung oder Wissensextraktion testen und das Modell finden, das für den persönlichen Einsatz am besten passt.

AGEV: Wie wichtig ist die Qualität der Prompts, um gute Ergebnisse zu erzielen? Worauf sollte man bei den Eingaben achten?

Michael Weckerlin: Ein gut gestalteter Prompt ist das A und O, wenn es darum geht, mit KI-Tools wie ChatGPT die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Nicht umsonst wird in diesem Zusammenhang gerne der Spruch „Sh*t in, Sh*t out“ zitiert. Ein ausführlicher Leitfaden würde sicherlich den Rahmen dieses Interviews sprengen, dennoch möchte ich einige grundlegende Eigenschaften eines guten Prompts hervorheben: Spezifität und Klarheit sind von entscheidender Bedeutung. Je präziser und eindeutiger der Prompt formuliert ist, desto besser kann die KI die Aufgabe verstehen und relevante Antworten generieren. Vage oder mehrdeutige Anweisungen sollten vermieden werden. Stattdessen gilt: Je mehr Details und Kontext bereitgestellt werden, desto besser kann die KI die Aufgabe erfüllen. Dazu gehören Angaben zum gewünschten Format, Stil und zur Zielgruppe. Kontext und Beispiele spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Besonders bei komplexen Aufgaben ist es hilfreich, der KI Hintergrundinformationen oder Beispiele an die Hand zu geben, um sie in die richtige Richtung zu lenken. Durch die Bereitstellung von Beispielen für gewünschte Ergebnisse kann man der KI zeigen, wie eine ideale Antwort aussehen sollte. Ein weiterer Schlüsselfaktor ist Iteration und Feedback. Oft ist es notwendig, Prompts mehrmals zu überarbeiten, um die besten Resultate zu erzielen. Experimentieren Sie mit verschiedenen Formulierungen und Strukturen. Nach der ersten Antwort der KI ist es ratsam, Feedback zu geben und den Prompt basierend auf den Ergebnissen anzupassen. Dieser iterative Prozess führt schrittweise zu immer besseren Ergebnissen. Die Investition von Zeit und Mühe in die Gestaltung effektiver Prompts zahlt sich langfristig aus und führt zu einem optimalen Ergebnis.

AGEV: Was ist ein Custom-GPT, und für wen empfiehlt es sich, einen eigenen Assistenten zu erstellen?

Michael Weckerlin: Ein Custom-GPT ermöglicht es, einen eigenen personalisierten KI-Assistenten zu erstellen und zu konfigurieren. Das ist jetzt mit GPT-4o sogar kostenfrei. Diese benutzerdefinierten Assistenten bieten mehrere entscheidende Vorteile: Zunächst ermöglichen sie den Nutzer*innen, eigene Referenzdokumente wie Textdateien, Bilder oder PDFs hochzuladen. Dadurch wird der Wissensbestand des Custom-GPT erheblich erweitert, was zu präziseren und kontextbezogeneren Antworten führt. Ein weiterer bedeutender Vorteil ist die Möglichkeit, eigene Anweisungen für das Custom-GPT zu schreiben. So lässt sich der Assistent steuern und gibt zielgerichtet Antworten.

Der Einsatz der Assistenten lohnt sich besonders für all jene, die wiederkehrende Aufgaben effizienter gestalten möchten. Im Kundenservice können sie beispielsweise häufig gestellte Fragen automatisch beantworten und Kundenanfragen effizient bearbeiten. Im Marketing und der Content-Erstellung sind sie in der Lage, personalisierte Marketingmaterialien, Blogbeiträge und Produktbeschreibungen zu erstellen sowie bei der Planung und Durchführung von Marketingkampagnen zu unterstützen. Kreative Berufe profitieren ebenfalls, da Custom-GPTs Autoren und Designern bei der Erstellung von Inhalten und Designs unterstützen, kreative Ideen generieren und Texte schreiben können. Darüber hinaus können sie repetitive Geschäftsprozesse automatisieren, wie beispielsweise die Bearbeitung von Bestellungen, die Erstellung von Berichten oder die Analyse von Geschäftsdaten, was die Effizienz erheblich steigert. Schließlich können Custom-GPTs als persönliche Assistenten fungieren, die bei alltäglichen Aufgaben wie der Reiseplanung, Fitnessberatung oder der Verwaltung von Terminen helfen.
Meine Empfehlung: Stöbern Sie im GPT-Store und werfen Sie einen Blick auf die bereits verfügbaren Custom-GPTs. Vielleicht finden Sie bereits eine passende Lösung für Ihren Use Case. Falls nicht, können diese Beispiele als Inspiration dienen, um Ihren eigenen maßgeschneiderten GPT zu erstellen. Gern auch custom gpt jeweils ohne Bindestrich, ich weiß nicht, wie man es schreibt, nur einheitlich sollte es sein.

AGEV: Verraten Sie uns einen Ihrer Lieblings-Hacks?

Michael Weckerlin: Einer meiner Lieblings-Hacks im Umgang mit ChatGPT sind die sogenannten Custom Instructions. Diese Funktion ermöglicht es, die Antworten von ChatGPT präzise an die eigenen Bedürfnisse und Präferenzen anzupassen. Custom Instructions erlauben es, ChatGPT spezifische Informationen über sich selbst und Anweisungen zur gewünschten Art der Antworten zu geben. Es gibt dabei zwei zentrale Textfelder: Im ersten Feld kann man Informationen über sich selbst eintragen, wie etwa Beruf, Interessen und Ziele. Im zweiten Feld gibt man an, wie ChatGPT antworten soll, also beispielsweise die gewünschte Tonalität, den Stil, das Format und spezifische Inhalte. Der große Vorteil dieser Funktion liegt in der Personalisierung der Antworten. ChatGPT kann seine Antworten genau an die individuellen Bedürfnisse, Interessen und Vorlieben anpassen, was die Relevanz und Qualität der Interaktionen erheblich steigert. Darüber hinaus sorgt die Speicherung dieser Präferenzen für Konsistenz, da man seine Wünsche nicht bei jeder Interaktion erneut formulieren muss. Ein weiterer Pluspunkt ist die Anpassbarkeit des Stils. Man kann entscheiden, ob die Antworten formell, witzig, technisch oder in einem anderen gewünschten Ton gehalten sein sollen. Durch die Möglichkeit, bestimmte Arten von Inhalten ein- oder auszuschließen, erhält man zudem genau die Informationen, die man benötigt, ohne überflüssige oder unerwünschte Inhalte durchsehen zu müssen. Ich empfehle, diese Funktion auszuprobieren und die Vorteile selbst zu erleben.

Über Michael Weckerlin

 

Michael Weckerlin, auch bekannt als „Mister SEO“, ist Mitgründer einer Webagentur und seit über 20 Jahren im Online-Marketing aktiv. Seit 2018 unterstützt er als freiberuflicher SEO-Berater KMUs und Agenturen. Seit 2023 berät er zudem zum Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT. Seine Begeisterung und sein tiefgehendes Know-how teilt er in ausführlichen Workshops zu SEO und ChatGPT. Er teilt als Referent sein Expertenwissen bei Instituten wie der Quadriga Hochschule, der Hochschule Fresenius und auf renommierten Online Marketing Konferenzen wie der CAMPIXX und dem OMT.

 

Kontakt:

Web: https://mister-seo.com/

E-Mail: michael.weckerlin@mister-seo.com

Linkedin: https://www.linkedin.com/in/mister-seo/