AGEV-Forderung: Kostenspirale bei Wohnnebenkosten durchbrechen

Der Mangel an Wohnraum und die steigenden Mieten sind eines der zentralen Probleme in Deutschland. Dabei könnte gerade der Bausektor angesichts des hohen Wohnungsbedarfs und des notwendigen ökologischen Umbaus der Gebäude die Lokomotive unserer Wirtschaft sein. Leider ist das Gegenteil der Fall – und das liegt vor allem an falschen politischen Rahmenbedingungen und falschen Erklärungsmustern.

Bildquelle: pixabay.com

Die Politik beklagt gerne die steigenden Mieten – als hätte der Staat damit nichts zu tun. Damit macht sie es sich aber zu einfach. Denn nicht nur die Mieten steigen stetig, mindestens genauso schnell steigen die Wohnnebenkosten. Und von diesen Kosten profitieren nicht, wie oft fälschlich dargestellt, die Vermieter, sondern Versorger, Versicherungen, Ablesefirmen und vor allem der Staat. Es reicht also nicht, immer nur die Vermieter an den Pranger zu stellen, auch der Staat muss seine Hausaufgaben machen.

Eine weitere Behauptung ist, dass steigende Mieten die Haushalte massiv überfordern. Auch diese Behauptung hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Denn laut Statistischem Bundesamt ist der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen in Deutschland von 2009 bis 2019 von 30,9 Prozent auf 25,9 Prozent gesunken. Das zeigt: Die Lohnentwicklung hat den Anstieg der Mieten in diesem Zeitraum mehr als ausgeglichen.

Wenn von steigenden Mieten die Rede ist, wird meist nicht zwischen der reinen Miete und den Wohnnebenkosten unterschieden. Letztere machen aber einen immer größeren Teil der Kostensteigerungen aus und sind vom Vermieter nicht beeinflussbar. Auf die reine Kaltmiete zu schauen, ist also nur die halbe Wahrheit.

Deshalb werden wir im Folgenden etwas genauer betrachten, wieso die Wohnnebenkosten eigentlich so stark steigen:

Grundsteuer

Laut Haus und Grund sind allein die Einnahmen des Staates aus der Grundsteuer B zwischen 2010 und 2020 um 30,2 Prozent gestiegen. Mit der Reform der Grundsteuer droht ab 2025 ein weiterer Anstieg. Zwar wurde versprochen, dass die Reform aufkommensneutral ausfallen soll. Angesichts leerer Kassen in den meisten Kommunen ist die Versuchung groß, die Hebesätze nicht entsprechend nach unten anzupassen, mit der Folge, dass für viele Grundstücke noch mehr Grundsteuer zu zahlen ist, wie die bereits verschickten neuen Messbescheide zeigen. Demnach wird sich die Grundsteuer in vielen Fällen verdoppeln. In den Medien wurde sogar über besonders krasse Einzelfälle berichtet, in denen sich die Grundsteuer verzwölffacht hat. „Mit der Reform der Grundsteuer hat es der Staat selbst in der Hand, die Wohnnebenkosten nicht weiter zu verteuern und sein Versprechen der Aufkommensneutralität einzulösen“, mahnt daher Burkhard Dickmann, Vorstandsvorsitzender der AGEV.

„Mit der Reform der Grundsteuer hat es der Staat selbst in der Hand, die Wohnnebenkosten nicht weiter zu verteuern und sein Versprechen der Aufkommensneutralität einzulösen.“ Burkhard Dickmann, Vorstandsvorsitzender der AGEV.

Energiekosten, Inflation und Mehrwertsteuer

Auch bei den Energiekosten kassiert der Staat kräftig ab. Laut Monitoringbericht 2022 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt machen staatlich veranlasste Preisbestandteile für Haushalte rund 40 Prozent des Strompreises aus. Auch hier ist die Tendenz durch neue Belastungen wie die CO2-Bepreisung stark steigend. Infolge der Inflation steigen auch alle anderen Preise aus der Nebenkostenabrechnung – etwa die Kosten für Handwerker oder Versicherungen. Auch hier verdient der Staat mit, denn an jeder Erhöhung dieser Kosten ist er über die Mehrwertsteuer mit 19 Prozent beteiligt.

Heizkosten und deren Erfassung

In der Regel machen die Heizkosten den größten Teil der Betriebskosten aus. Diese sind bekanntlich in den letzten zwei Jahren stark gestiegen und werden aller Voraussicht nach weiter steigen. In diesem Zusammenhang gibt es einen weiteren Kostenfaktor, der weitgehend unbeachtet bleibt und in den Medien so gut wie nie erwähnt wird: die Kosten für Heizungsbetrieb und Heizkostenabrechnung. Diese Nebenkosten fallen zusätzlich zum reinen Energieverbrauch an und sind in den letzten Jahren ebenfalls stark angestiegen. Ein Grund dafür ist die immer strengere Regulierung. So sind alle Vermieter gesetzlich verpflichtet, eine verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung zu erstellen. Dazu müssen alle Wohnungen bzw. Heizkörper mit Zählern ausgestattet sein. In Gebäuden mit zentraler Warmwasserbereitung muss zusätzlich der Warmwasserverbrauch mit Warmwasserzählern gemessen werden. Diese Mess- oder Erfassungsgeräte werden einmal jährlich abgelesen. Das alles kostet immer mehr Geld.

Informationspflicht

2022 ist noch eine neue Informationspflicht für den Vermieter hinzugekommen: Er muss seine Mieter monatlich über den Heizenergieverbrauch informieren, sofern bereits fernablesbare Messgeräte vorhanden sind. Bis Ende 2026 müssen alle analogen Messgeräte durch fernablesbare, digitale ersetzt werden. In der Vergangenheit haben viele Vermieter die Zähler einfach abgelesen und mit den Werten die Heizkostenabrechnung erstellt. Für diese Leistung des Vermieters entstanden dem Mieter in der Regel keine gesonderten Kosten. Die Erfassung der Heizkosten ist heute jedoch aufgrund der Komplexität der gesetzlichen Vorgaben für die meisten Vermieter nicht mehr selbst zu leisten. Jede Reform der Heizkostenverordnung wirkte daher in den letzten Jahren wie ein Konjunkturprogramm für das Quasi-Kartell der großen Ablesefirmen wie ISTA, Brunata und Techem.

Monopole der Messdienstleister

Das hat zur Folge, dass der Kostenanteil für die gesamte hochkomplexe Zählertechnik, deren Auswertung sowie die Bereitstellung für die Mieter geradezu explodiert. So machen diese Kosten bei vielen Mietern im Jahr 2019 bereits mehr als 15 Prozent der Heizkosten aus. Experten befürchten, dass dieser Anteil auf bis zu 25 Prozent steigen könnte. Die Messdienstleister reiben sich die Hände und freuen sich über weiter steigende Gewinne. Konkurrenz müssen sie nicht fürchten. Im Mai 2017 haben die Wettbewerbshüter des Bundeskartellamts den Markt für Messdienstleistungen für Wärme und Wasser untersucht. Dabei kamen sie zu einem eindeutigen Ergebnis: Wettbewerb findet so gut wie nicht statt. Die Unternehmen hätten den 1,5 Milliarden Euro schweren Markt unter sich aufgeteilt, heißt es in dem Bericht. Allein die beiden größten, Techem und Ista, kommen auf mehr als 50 Prozent Marktanteil. Diese Firmen gehören inzwischen großen ausländischen Investmentgesellschaften, die sich hier satte Gewinne versprechen. Ein Anbieterwechsel ist für Vermieter kaum möglich, da in der Regel nur Zehnjahresverträge angeboten werden und die Zähler verschiedener Firmen oft nicht kompatibel sind.

Interoperationalität von Erfassungsgeräten

Bei dem letzten Punkt gibt es endlich Bewegung. In der Neufassung der Heizkostenverordnung wurde festgelegt, dass ab dem 1. Dezember 2022 nur noch neue fernauslesbare Messgeräte installiert werden dürfen, die über Schnittstellen verfügen, die auch von anderen Herstellern ausgelesen werden können. Alte Zähler müssen bis 2026 ausgetauscht werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, ändert aber zunächst nichts an den langen Vertragslaufzeiten. Hier ist die Politik gefragt, die es seit dem vernichtenden Urteil des Bundeskartellamts von 2017 immer noch nicht geschafft hat, entsprechend zu reagieren. Offenbar spielt hier unter anderem die geschickte Lobbyarbeit der mächtigen Ablesefirmen eine Rolle. Dennoch gibt es schon heute einzelne Beispiele, in denen Vermieter die Verträge mit ISTA oder Techem kündigen und wieder eigene Messgeräte einbauen, wie etwa die Baugenossenschaft Kulmbach in Oberfranken, die rund 1.300 Wohnungen besitzt. Geschäftsführer Udo Petzold hatte die Nase voll vom Ablesekartell und lässt seine Zähler nun nach und nach von dem kleinen Spezialdienstleister ZP Zähler Plattform aus Berlin digital und über das Internet auslesen.

Data Act der EU

Ein weiterer Lichtblick könnte der Data Act der EU sein. Die Verordnung soll faire Bedingungen und Anreize für eine stärkere, sektorübergreifende gemeinsame Datennutzung schaffen und damit zu einer wettbewerbsfähigeren Datenökonomie beitragen. Laut Udo Philipp, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), können Unternehmen dadurch neue datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln und die Verbraucher souveräner über die Verwendung der Daten entscheiden, die bei der Nutzung von Geräten entstehen. Ob dies allerdings auch für Messgeräte zur Erfassung von Heizkosten gilt, bleibt abzuwarten. Denn die Heizkosten müssen dem jeweiligen Verbraucher zugeordnet werden. Andernfalls ist eine verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung nicht möglich. Hier könnte der Data Act im Widerspruch zu den Grundsätzen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stehen. Positiv zu bewerten ist, dass der Data Act auch den Schutz vor unfairen Vertragsklauseln beinhaltet. Damit besteht zumindest die Hoffnung, dass der Einsatz von Smart Metern und digitalen Technologien in Zukunft zu mehr Transparenz und innovativen Konzepten von Start-ups führen könnte. Entscheidend wird sein, wie die EU-Verordnung in deutsches Recht umgesetzt wird und ob sich die Marktzugangsbedingungen für kleinere Unternehmen tatsächlich verbessern.

Weiter steigende Nebenkosten prognostiziert

Leider ist zu befürchten, dass es vorerst noch schlimmer kommt. Nach einer Auswertung des Unternehmens Mineko, das Nebenkostenabrechnungen prüft, könnten sich diese in den kommenden Jahren verdoppeln, wie kürzlich im Spiegel zu lesen war. Für eine durchschnittliche Wohnung in Deutschland mit 92 Quadratmetern wurden laut Mineko in den Jahren 2019 und 2020 im Mittel 3200 Euro an Nebenkosten fällig. In Zukunft könnten diese Kosten nach aktuellen Daten auf fast 7000 Euro steigen, prognostiziert Mineko. Möglicherweise steht einer echten Lösung ein versteckter Interessenkonflikt im Weg. Denn solange der Staat für einen Großteil der steigenden Nebenkosten verantwortlich ist und durch höhere Steuereinnahmen davon profitiert, dürfte es von dieser Seite wenig Anreize für Reformen geben. Stattdessen reagiert die Politik mit weiteren Restriktionen für Vermieter. Dies verschärft jedoch die Krise im Wohnungsneubau, die ohnehin durch steigende Zinsen und Baukosten angeheizt wird. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass mit noch mehr Mietpreisbremsen sowie Kostenabwälzungen auf die Vermieter etwas erreicht werden kann. Denn wenn sich der Neubau von Mietwohnungen nicht mehr rechnet, wird niemand mehr bauen wollen. Umso größer wird dann die Wohnungsnot, die schon jetzt zum größten sozialen Problem in Deutschland zu werden droht.

Fazit: Es braucht weniger Regulierung und weniger Kartelle

Wir befinden uns also in einem Teufelskreis, der wahrscheinlich nur durch weniger Bürokratie, steuerliche Anreize für das Bauen und mehr Wettbewerb durchbrochen werden kann. Die Frage ist zum Beispiel, was dem Mieter eine monatliche Information über den Energieverbrauch bringt, wenn gleichzeitig die Umsetzung dieser Pflicht ihn mehr kostet, als er dadurch einsparen kann. Und was nützt dem Mieter eine bis ins letzte Detail geregelte Heizkostenerfassung, wenn er dann ein Viertel seiner Heizkosten für die gesetzeskonforme Erfassung seiner Verbrauchsdaten bezahlen muss. „Hier muss die Politik den Hebel ansetzen und das faktische Kartell der Ablesefirmen nicht immer weiter stärken, sondern endlich für mehr Wettbewerb sorgen. Nur so können sich technische Innovationen am Markt entwickeln und langfristig zu Kostensenkungen führen. Ohne Innovationen werden wir die enormen Herausforderungen bei der Bewältigung des Wohnungsmangels und der gleichzeitigen Reduzierung des CO2-Ausstoßes im Gebäudesektor kaum bewältigen können“, so AGEV-Vorsitzender Burkhard Dickmann.