Carbon Farming – ackern für den Klimaschutz

 „Carbon Farming“ ist ein Sammelbegriff für innovative Anbaumethoden in der Landwirtschaft. Das Ziel ist es, mehr CO2 als bisher im Boden zu binden. Das ist zwar politisch gewollt, aber Förderung und Regulierung stecken noch in den Kinderschuhen. Technologie-Startups wollen Landwirten den Umstieg auf eine regenerative Landwirtschaft schmackhaft machen.

Bildquelle: Klim GmbH

Die intensive Landwirtschaft, wie sie seit Jahrzehnten betrieben wird, ist ein Klimasünder. Mehr als zehn Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU stammen aus der Landwirtschaft, in Deutschland sind es sieben Prozent. Nun soll auch dieser Sektor seiner Verantwortung in der Klimakrise gerecht werden. Deswegen ist „Carbon Farming“ – zu Deutsch Kohlenstoff-Landwirtschaft – in der aktuellen Klimaschutzdebatte ein viel diskutierter Lösungsansatz. Denn die Land- und Forstwirtschaft könnte durch eine verstärkte Kohlenstoffspeicherung in den Böden einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – vorausgesetzt die Umstellung ist nachhaltig. Nach Angaben des Thünen-Instituts für Agrarklimaschutz könnten im besten Fall deutschlandweit bis zu fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich als Kohlenstoff im Boden gespeichert werden.

Humusaufbau: einer der großen Hebel

Es gibt viele Ansätze, um mehr Kohlenstoff aus der Luft zu filtern und als Humus – der zu rund 60 Prozent aus Kohlenstoff besteht – im Boden zu speichern. Im Rahmen von Agroforstprojekten werden beispielsweise Baum-, Hecken- und Strauchstreifen in die Ackerflächen integriert. Die zusätzliche Pflanzenbiomasse bindet CO2. Weitere Carbon-Farming-Maßnahmen sind zum Beispiel die Umstellung auf eine Direktsaat ohne vorheriges Pflügen oder die uralte Kulturtechnik der Fruchtfolge: Dabei werden spezielle Pflanzen nach einem ausgefeilten Rhythmus nacheinander auf das Feld gebracht. Sie führen dem Boden organische Substanz zu, die zu Humus abgebaut wird. „Für Landwirte hat mehr Humus im Boden ohnehin große Vorteile, wie zum Beispiel mehr Fruchtbarkeit und Wasserhaltefähigkeit“, sagt Professor Dr. Axel Don vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz. All diese Ansätze hätten neben der verstärkten CO2-Bindung im Boden den positiven Effekt, die Bodenqualität und -gesundheit zu verbessern und die Äcker widerstandsfähiger gegen Wetterextreme zu machen. Die Dürren der letzten Jahre haben den Landwirten schwer zu schaffen gemacht.

Markt für Zertifikate

Die Umstellung ist jedoch mit großem Aufwand verbunden, und der Humusaufbau braucht Zeit. Zertifikate sollen daher Anreize schaffen, damit die Landwirte den Umbau in Angriff nehmen. So kann ein Landwirt, der mit regenerativen Methoden Kohlenstoff in Böden und Pflanzen speichert, mit einem CO2– oder Humuszertifikat zusätzlich Geld verdienen. Zertifizierungsanbieter verkaufen diese Zertifikate beispielsweise an Unternehmen, die sie als CO2-Kompensation erwerben. Auch wenn das für die Landwirte im Verhältnis zum Aufwand noch nicht viel Geld bringt, ist das Konzept für sie ein Anreiz, sich mit dem Thema CO2-Emissionen zu beschäftigen. Grundsätzlich sieht auch Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, in dem Vergütungsmodell einen ersten richtigen Schritt, warnt aber davor, dass der Zertifikatehandel Unternehmen dazu verleiten könnte, sich eine gute CO2-Bilanz zu erkaufen, statt selbst CO2 einzusparen. Ein weiterer kritischer Hinweis kommt vom Thünen-Institut: Beendet der Landwirt die regenerativen Maßnahmen, wird das CO2 wieder freigesetzt. Eine Lösung könnte sein, die Humuszertifikate langfristiger anzulegen. Bei der Zertifizierung müsse sichergestellt sein, dass die angerechnete Klimaschutzleistung auch über zehn Jahre erhalten bleibt. Nur Humus, der dauerhaft und zusätzlich im Boden gespeichert wird, sei eine Klimaschutzmaßnahme.

Hier ist die Politik gefordert, aber die Rahmenbedingungen fehlen noch. Bislang ist der Zertifizierungsmarkt nicht ausreichend reguliert, strenge Kriterien fehlen. Die Messungen der privaten Zertifizierer, die zum Beispiel den Kohlenstoffgehalt über Bodenproben messen, sind in der Regel aufwändig und teuer. Der Deutsche Bauernverband fordert daher die EU auf, ein einheitliches Verfahren für die Zertifizierung und die Anerkennung der Leistungen zu formulieren, damit die Landwirte auch wirklich davon profitieren.

Wie technologische Lösungen helfen können

Einige Startups haben diese Lücke als Chance erkannt. Sie wollen das Carbon Farming und die Zertifizierungsprozesse effizienter und einfacher machen, indem sie die Kohlenstoffspeicherung der Landwirte eindeutig messbar machen und die so berechneten CO2-Äquivalente als Zertifikate an Unternehmen weiterverkaufen.

Bildquelle: Klim GmbH

Eines dieser Agri-Tech-Startups ist Klim, das für den Deutschen Gründerpreis 2023 nominiert wurde. Über 3.000 Landwirte haben sich auf der digitalen Plattform registriert. Mithilfe einer App können sie ihre kohlenstoffarmen Anbaumethoden dokumentieren und werden dafür belohnt. Nina Mannheimer, Mitgründerin von Klim, erklärt, wie das funktioniert: „Wir nutzen wissenschaftliche Daten, um zu berechnen, wie viel Kohlenstoff Landwirte speichern.“ Per App kann Klim den Fortschritt genau verfolgen. Neben den Fotos der Landwirte werden auch Satellitenbilder ausgewertet: Wird zum Beispiel eine Winterzwischenfrucht angebaut, kann man per Satellit sehen, ob auf dem Feld auch wirklich etwas wächst. Auch Algorithmen helfen zu erkennen, welche Früchte auf den Feldern wachsen. Bei dieser technischen Lösung müssen also keine aufwändigen und teuren Bodenproben genommen werden, um eine Prämie zu erhalten. Durch eine gestaffelte Auszahlung stellt Klim sicher, dass ein Landwirt langfristig an den kohlenstoffspeichernden Maßnahmen festhält. Ein weiterer Vorteil: Über die Plattform können sich die Landwirte in der Community austauschen und ihre Erfahrungen weitergeben. Außerdem erhalten sie Zugang zu Wissen über humusaufbauende Maßnahmen, über das nicht jeder Landwirt im Detail verfügt. Dazu gehören zum Beispiel der Anbau von Zwischenfrüchten, Körnerleguminosen, Untersaaten, mehrjährige Feldfutterkulturen oder die Anlage von Heckenreihen. „Regenerative Praktiken wie Zwischenfrüchte und reduzierte Bodenbearbeitung fördern nicht nur die Gesundheit des Bodens, sondern erhöhen auch seine Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern – ein Schlüsselfaktor bei der Bekämpfung des Klimawandels“, unterstreicht Nina Mannheimer.

Weitere Informationen zum Carbon Farming: Thünen-Institut für Agrar-Klimaschutz

Mehr Informationen zum Startup: Klim