Her mit den Qubits: Die nächste Generation der Rechenleistung

Quantencomputer gelten als eine der spannendsten Technologien unseres Jahrhunderts. Sie versprechen, Probleme zu lösen, die für klassische Rechner unlösbar sind – von der Entwicklung neuer Materialien bis zur Ausarbeitung ultrakomplexer Klimamodelle. Für wissenschaftliche Berechnungen der Quantenmechanik sind sie heute schon uneinholbar schneller, aber auch Anwendungen im Finanzbereich und in der Logistik werden bereits erprobt. Doch wie funktioniert die Technologie, wo steht die Forschung heute, und wann wird sie unseren Alltag revolutionieren?
Die Grundprinzipien des Quantencomputers sind schwer zu verstehen, weil sie unserem logischen Denken widersprechen. Einem Nicht-Physiker mögen sie wie Zauberei erscheinen:
- Superposition: Anders als klassische Bits, die nur die Zustände 0 oder 1 annehmen können, können Qubits (Quantenbits) in einer Überlagerung von Zuständen existieren. Das bedeutet: Ein Qubit kann gleichzeitig 0 und 1 sein. Man könnte es mit dem Zustand einer Münze vergleichen, die geworfen wird und noch nicht auf die Kopf- oder die Münzseite gefallen ist.
- Quantenverschränkung: Verschränkt man zwei Qubits miteinander, das heißt, verbindet man sie untrennbar miteinander, wird der Zustand des einen sofort den Zustand des anderen beeinflussen, allerdings unabhängig von der Entfernung zwischen ihnen, selbst wenn sie sich an entgegengesetzten Enden des Universums befinden. Albert Einstein bezeichnete dies als „spukhafte Fernwirkung“.
Diese Eigenschaften ermöglichen es Quantencomputern, viele Rechenwege parallel auszuführen. Ein Beispiel: Während ein klassischer Computer ein Labyrinth Schritt für Schritt durchlaufen muss, könnte ein Quantencomputer alle Wege gleichzeitig testen. Erkenntnisse aus der Hirnforschung und Neurobiologie legen nahe, dass auch unser Gehirn massiv auf Parallelverarbeitung setzt – etwa beim Erkennen visueller Eindrücke. Ob auch hier Quantenphänomene eine Rolle spielen, ist umstritten.
Der aktuelle Stand der Forschung
Führende Forschungsinstitute und große Tech-Unternehmen arbeiten daran, funktionsfähige Quantencomputer zu bauen. Diese Geräte sind jedoch extrem empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen und benötigen sehr niedrige Temperaturen und isolierte Umgebungen, um zu funktionieren. Deshalb werden neben supraleitenden Schaltkreisen auch andere Technologien zur Erzeugung von Qubits entwickelt, etwa Ionenfallen und topologische Qubits. Plattformen wie Qiskit (IBM) oder Azure Quantum (Microsoft) ermöglichen es schon heute, mit Quantenalgorithmen zu experimentieren. Große Hoffnungen ruhen auf Hybridsystemen, die klassische und Quantencomputer kombinieren.
Risiken für die Cybersicherheit
Quantencomputer könnten durch ihre Power in der Lage sein, weit verbreitete Verschlüsselungsstandards wie RSA-2048 und ECC zu knacken – eine große Gefahr für die Sicherheit von E-Commerce-Transaktionen, digitaler Kommunikation und kritischer Infrastruktur. Besonders beunruhigend ist auch die Taktik vor allem von staatlichen Akteuren und Cyberkriminellen, verschlüsselte Daten zu sammeln, um sie später mit Quantencomputern zu knacken. Dies geschieht bereits und bedeutet, dass auch Daten, die heute als sicher gelten, etwa Bitcoins, die in einer Wallet gespeichert sind, in Zukunft gefährdet sein könnten. Die Bedrohung erstreckt sich auf alle sensiblen Bereiche wie Bankwesen, Gesundheitswesen, Energieversorgung, Regierungskommunikation und militärische Geheimnisse.
Auch wenn die Leistungsfähigkeit heutiger Quantencomputer noch nicht ausreicht, um die stärksten Verschlüsselungsstandards zu knacken, mahnen Experten, schon jetzt mit den Vorbereitungen für die Post-Quanten-Ära zu beginnen. Denn der Umstieg auf quantensichere Kryptographie ist zeitaufwändig und komplex.
Geopolitisches Rennen
Um die Entwicklung von leistungsfähigen Quantencomputern gehen die USA, China und Europa ins Rennen. Bekannte US-Technologiegiganten wie IBM, Google und Microsoft dominieren heute die Quantentechnologie mit bereits nutzbaren Zugängen über die Cloud. Die Regierungsinitiative National Quantum investiert Milliarden in die Weiterentwicklung der Technologie in den USA. Auch China treibt mit der Initiative „Made in China 2025“ die Entwicklung der Quantentechnologie mit zehn Milliarden US-Dollar voran.
Auf EU-Ebene stellt die Europäische Kommission über das Quantum Technologies Flagship insgesamt eine Milliarde Euro über zehn Jahre zur Verfügung. Für die ersten europäischen Quantencomputer wurden sechs Standorte ausgewählt: Tschechien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien und Polen. Die Investition: 100 Millionen Euro.
Hier im Land tun sich das Karlsruhe Institute of Technology (KIT) sowie die Universitäten Ulm und Stuttgart zu einem Forschungscluster mit „weltweit einzigartiger Expertise“ im Bereich der Quantenwissenschaften zusammen. Auch die Universität Paderborn ist mit dem Institut für Photonische Quantensysteme (PhoQS) dabei. Es konzentriert sich auf die Entwicklung neuartiger photonischer Quantentechnologien.
Startups aus Deutschland mischen mit
Im Rennen um Quanteninnovationen mischen auch einige Startups aus Deutschland mit: Zum Beispiel IQM Quantum Computers, ein deutsch-finnisches Startup, das für weniger als eine Million Euro den ersten Quantencomputer entwickelt. Oder das Münchner Startup Planqc, eine Ausgründung des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Das Unternehmen entwickelt „hochskalierbare Quantencomputer auf Basis von Atomen in optischen Gittern, die auch bei Raumtemperatur betrieben werden können“, so Mitgründer und Geschäftsführer Alexander Glätzle.
Der erste deutsche Quantencomputer wurde 2012 am Lehrstuhl für Quantenoptik der Universität Siegen von Professor Christof Wunderlich entwickelt. Wunderlich gründete mit Partnern das Startup eleQtron, um eine weltweit einzigartige Technologie zu entwickeln. „Unsere Maschine rechnet mit Atomen. Das geschieht, indem man einzelne Atome in einem elektromagnetischen Feld buchstäblich fängt. (..) Der nächste Schritt ist, dass man diese Atome in einem Hochvakuum stabilisiert, danach werden die Atome mit Lasern gekühlt. (..) Was unser Produkt einzigartig macht, ist MAGIC. Das steht für: MAgnetic Gradient Induced Coupling. Was bedeutet, dass wir den Atomen über Mikrowellen das Rechnen beibringen“, so CEO Jan Leisse gegenüber dem Magazin Human Resources Manager. eleQtron hat bereits mehrere dieser Maschinen verkauft, unter anderem zwei an das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und eine an das Forschungszentrum Jülich. Nachdem das Unternehmen 2020 ohne Büro und Mitarbeiter gestartet war, konnte es Investorengelder einwerben und beschäftigte nur drei Jahre später bereits 55 Mitarbeiter.
Wann kommt der Durchbruch?
Das rasante Wachstum von eleQtron zeigt, mit welcher Dynamik sich dieser Bereich derzeit entwickelt. Für viele Experten könnten Quantencomputer nach der KI das „nächste große Ding“ werden. Doch wann kommt der Durchbruch? Dazu gibt es viele Prognosen, die allerdings sehr unterschiedlich ausfallen. Optimisten wie Bill Gates verweisen auf Fortschritte bei logischen Qubits und rechnen mit einem Durchbruch in drei bis fünf Jahren. Skeptiker wie Jensen Huang von NVIDIA rechnen dagegen erst in 15 bis 30 Jahren mit praxistauglichen Systemen. Eine realistische Einschätzung liegt wohl irgendwo dazwischen: Experten wie Oskar Painter (Amazon/AWS) erwarten erste nutzbare Anwendungen um 2030 und voll entwickelte Systeme ab 2035.
Beispielanwendungen: Von Medizin bis Klimaforschung
Quantencomputer könnten in vielen Bereichen bahnbrechende Veränderungen bewirken. Hier einige Beispiele:
- Medizin und Pharmazie: Quantencomputer könnten bei der Entdeckung neuer Medikamente und der Simulation komplexer biologischer Systeme helfen. Die deutsche Pharmafirma Boehringer Ingelheim modelliert mithilfe von Quantensimulationen zum Beispiel Moleküle für die Entwicklung neuer Medikamente.
- Materialwissenschaft: Die Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften könnte durch Quantencomputer beschleunigt werden.
- Künstliche Intelligenz: Quantenalgorithmen könnten maschinelles Lernen und andere KI-Technologien effizienter machen.
- Optimierung: Probleme wie die Routenplanung oder die Ressourcenallokation könnten durch Quantencomputer schneller und effizienter gelöst werden.
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