KI-Werkzeuge werden die Arbeitswelt grundlegend verändern

Künstliche-Intelligenz-Programme wie ChatGPT dringen zunehmend in die Arbeitswelt ein und werden für Aufgaben eingesetzt, die vorher ausschließlich von Menschen erledigt wurden. Welche Konsequenzen das in rechtlicher Hinsicht hat, beantwortet der Rechtsanwalt Dr. Thomas Schwenke im folgenden Interview.

Dr. Thomas Schwenke

AGEV:  Können Dienstleister oder Angestellte KI-Werkzeuge wie ChatGPT im Rahmen von Aufträgen rechtssicher einsetzen, bzw. welche rechtlichen Risiken sehen Sie bei der Nutzung?

Dr. Thomas Schwenke: Es kommt darauf an, für welche Teile der Dienstleistung das KI-Tool eingesetzt wird. Bei Unterstützungsleistungen wie Rechtschreibkorrektur oder der Nutzung als Recherchewerkzeug ist dies unproblematisch und heute allgemein üblich. Anders sieht es aus, wenn die Dienstleistung ausschließlich durch ein KI-Werkzeug erbracht wird. Denn nach den heute immer noch geltenden, branchenüblichen Maßstäben kann der Auftraggeber erwarten, dass der Beauftragte eine individuelle Leistung erbringt. Er muss sie nicht unbedingt höchstpersönlich erbringen, dies kann selbstverständlich auch ein Mitarbeiter tun. Aber für den Auftraggeber muss letztlich sichergestellt sein, dass er ein besonderes Werk mit ausschließlichen Nutzungsrechten erhält. Hier sehe ich den Knackpunkt. Denn nach derzeitiger Rechtslage entsteht kein Urheberrecht an einem Werk, dass allein von einer KI erzeugt wird. Es wäre also für jedermann nutzbar und hätte damit für den Auftraggeber wenig Wert. Da neue KI-Werkzeuge wie Jasper Art (Bilder) oder ChatGPT (Texte) in der Lage sind, vollständige Werke zu generieren, verschwimmt die Grenze zwischen bloßer Hilfsleistung und vollständiger Umsetzung. Es wird daher immer schwieriger zu beurteilen, ob eine Leistung von einem Menschen oder einem KI-Werkzeug erbracht wurde. Eine Lösung dieses Problems könnte darin bestehen, im Auftrag klar zu vereinbaren, in welchem Umfang der Einsatz von KI-Programmen bei der Ausführung zulässig ist. Andernfalls könnte es zu Rechtsstreitigkeiten kommen.

AGEV: Gibt es datenschutzrechtliche Risiken?

Dr. Thomas Schwenke: Hier sehe ich die größten Probleme. Ich erwarte, dass in naher Zukunft viele klassische Büroprogramme – zum Beispiel E-Mail-Programme wie Outlook – Schnittstellen zu KI-Programmen enthalten. Das heißt, wenn man eine E-Mail schreibt, wird diese im Hintergrund sofort von der KI verbessert. Dabei wird der Inhalt der E-Mail auf einen fremden Server geladen, was datenschutzrechtlich relevant ist. Etwa wenn personenbezogene Daten wie Adressen oder sogar Geschäftsgeheimnisse eingegeben werden. Als Nutzer bin ich für diese Daten verantwortlich. Deshalb sollte man der KI nur unbedenkliche Daten zur Verfügung stellen oder durch technische Maßnahmen dafür sorgen, dass die Daten verschlüsselt werden oder auf einem lokalen Server bleiben.

AGEV:  Wer haftet eigentlich für Schäden, die durch KI-generierte Werke entstehen? Zum Beispiel bei Urheberrechtsverstößen und bei falschen oder beleidigenden Aussagen?

Dr. Thomas Schwenke: Die Verantwortung liegt in aller Regel bei demjenigen, der die KI einsetzt. Wer zum Beispiel KI-generierte Texte ungeprüft veröffentlicht, haftet selbstverständlich auch für eventuelle Schäden. Den Hersteller wird man dafür kaum verantwortlich machen können, denn der schließt eine Haftung für solche Schäden in seinen AGBs aus. Der Hersteller kann ja auch gar nicht wissen, was die Benutzer mit den Ergebnissen der KI machen. Das ist wie mit jedem anderen Werkzeug auch. Der Hersteller eines Hammers haftet nicht dafür, wenn jemand mit dem Hammer einen anderen verletzt. Das Problem von Urheberrechtsverletzung sehe ich eher als theoretisch. Die Werke einer KI entstehen laut Hersteller durch Rekombination und nicht durch Kopieren. Demnach entsteht laut geltendem Recht etwas Neues und somit kann kein Urheberrecht verletzt werden. Dennoch ganz ausschließen möchte ich das nicht.

AGEV:  Einige Unternehmen verbieten ihren Mitarbeitern die Nutzung solcher Programme. Was halten Sie von solchen Verboten?

Dr. Thomas Schwenke: Pauschale Verbote erscheinen mir nicht als sinnvoll. Besser ist es, klare Regeln für die erlaubte Nutzung aufzustellen. Solche Regeln gibt es in den meisten Unternehmen ja schon lange für den Einsatz fremder Software oder zum Beispiel bei der Nutzung von privaten Mobilfunktelefonen.

AGEV:  Welche Folgen hat es für das Urheberrecht, wenn nicht mehr nur der Mensch schöpferisch tätig ist, sondern zunehmend auch KI-Werkzeuge Texte, Bilder und Musik produzieren?

Dr. Thomas Schwenke: Wenn KIs Bilder und Texte genauso gut oder sogar besser erzeugen können als Menschen, stellt sich die Frage, warum es überhaupt noch ein Urheberrecht geben muss. Schon heute gibt es die Tendenz, das Urheberrecht aufzuweichen. In der EU ist es KI-Programmen ausdrücklich erlaubt, alle Internetseiten zu durchzusuchen und auszuwerten, es sei denn, man wehrt sich dagegen. In Großbritannien wird sogar überlegt, den Nutzern überhaupt keine Abwehrmöglichkeit zu geben, wenn sie etwas im Internet veröffentlichen.

AGEV: Ist das nicht unfair gegenüber den menschlichen Urhebern? Die KI hat ja kein Bewusstsein. Sie würfelt nur vorhandene Texte, Töne oder Pixel nach Wahrscheinlichkeitsregeln neu zusammen. Sie basiert also auf Leistungen, die zuvor ein Mensch erbracht hat.

Dr. Thomas Schwenke: Das ist richtig. Die KI macht nichts anderes, als das Bestehende aufzubereiten. Die Gefahr ist, dass wir auf Dauer kulturell stagnieren. Wir drehen uns im Kreis, und wirklich Neues entsteht nicht mehr. Das ist eine Dystopie, aber gar nicht so unwahrscheinlich. Andererseits könnte es aber auch dazu führen, dass gerade diejenigen, die kreativ, individuell und abseits des Mainstreams kulturelle Werke erschaffen können, umso mehr geschätzt werden. Es könnte auch dazu kommen, dass zwar nicht das von einer KI geschaffene Werk urheberrechtlich geschützt werden kann, wohl aber der Anweisungstext – der sogenannte Prompt –, den ein Mensch in die KI eingibt. Solche Prompts können mehrere Seiten lang sein und stellen damit eine individuelle und komplexe Leistung dar. Diese Leistung ist durchaus vergleichbar mit dem Schreiben eines Softwareprogramms.

AGEV:  Glauben Sie, dass Ihre anwaltliche Tätigkeit eines Tages durch ein KI-Programm ersetzt werden kann?

Dr. Thomas Schwenke: KI-Werkzeuge werden die Arbeit in sehr vielen Berufen grundlegend verändern. Das gilt auch für Juristen. Ich sehe zum Beispiel bei der Recherche und Erstellung von einfachen Alltagstexten großes Potenzial. Aber das ist eigentlich nichts Neues. Schon mit dem Aufkommen des Internets waren Menschen plötzlich in der Lage, sich in begrenztem Umfang juristisches Wissen anzueignen. Weniger komplexe Rechtsfragen, mit denen man früher zum Anwalt ging, googelt man heute einfach. Man braucht aber auch heute noch einen Rechtsanwalt, der das juristische Wissen auf einen konkreten Fall anwendet. Das können KI-Werkzeuge heute noch nicht so gut wie Menschen, aber sie lernen sehr schnell und werden immer besser. Im Moment sehe ich das positiv. Denn KI-Werkzeuge können mir lästige Arbeit abnehmen und helfen mir dabei, mich auf die Beratung von Mandanten zu konzentrieren. In der Beratung geht es viel um Empathie und Bauchgefühl, und das wird hoffentlich innerhalb der nächsten zehn Jahre auch nicht ersetzt werden können. Vielleicht ist das aber auch nur Wunschdenken. Ganz sicher bin ich mir da nicht.

AGEV: Vielen Dank für das Gespräch.

Über Dr. Thomas Schwenke

Dr. Thomas Schwenke ist seit 15 Jahren als Anwalt ausschließlich auf dem Gebiet des IT-, Medien- und Marketingrechts tätig, sodass Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes, Datenschutzes und des Urheberrechts zu seinen Kernkompetenzen gehören. Die Prüfung von umfassenden Projekten und die Erstellung von rechtlichen Rahmenbedingungen für Software, Dienstleistungs-, Handels- und Vermittlungsplattformen gehören zu seinen Hauptaufgaben und reichen von der ersten rechtlichen Einschätzung der Projekte, über ausführliche Gutachten, Prüfung und Erstellung von AGB sowie anderen Rechtsdokumenten bis hin zu durchgehender Projektbetreuung und regelmäßiger Beratung.

Weitere Infos: www.drschwenke.de

Anmerkung:

Dieses Interview wurde persönlich von zwei Menschen am Telefon geführt und von einem menschlichen Autor geschrieben. Zum Spaß haben wir die Fragen auch in ChatGPT eingegeben. So viel sei schon einmal verraten: ChatGTP setzt an einigen Stellen andere Aspekte als sein menschliches Pendant, verweist bei rechtlichen Fragen gerne auf menschliche Anwälte und ist in seinen Ausführungen hier und da unnötig ausschweifend. Zu unserem Interview mit ChatGPT.