Was wir auch brauchen: eine „nationale Notlage“ zum Thema Verkehrstote – Einwurf von Franz J. Grömping
Ein paar Tage nach den schrecklichen Morden von Solingen fuhr ich zu einem Kulturfestival und ein Freund wünschte mir, dass ich dort von einem Anschlag verschont bliebe. „Danke“, sagte ich, „aber wünsche mir lieber, dass ich unterwegs nicht von einem Raser getötet werde. Die Gefahr dafür ist je nach Definition 50-100 Mal größer.“ Mein Freund blieb etwas verwirrt zurück.
Deutschland ist das einzige demokratische Land der Welt, das auf ein Tempolimit verzichtet. Die Mehrheit der Deutschen – mittlerweile sogar der ADAC – ,ist für die Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung. Aber eine winzige politische Minderheit in unheiliger Allianz mit wenigen Industrievertretern schafft es bislang, das zu verhindern.
Von den ca. 2.400 Verkehrstoten sterben die meisten durch unangepasste Geschwindigkeit. Allein in meinem direkten Umfeld sind im letzten Jahr vier Unbeteiligte durch Raserei, davon mindestens drei durch Straßenrennen getötet worden. Wo bleibt der Aufschrei der Politiker, der Medien, der Bevölkerung? Wo sind die Demonstranten gegen diese furchtbaren Einschnitte in unschuldige Familien und die Forderungen nach harten Konsequenzen für die Verursacher?
Tempo 100 auf Autobahnen, 80 außerhalb und 30 innerhalb der Städte, so wie es Verkehrssicherheitsexperten fordern, mit Ausnahmen an geeigneten Stellen, und mindestens 1.000 Menschen pro Jahr würden noch leben. Gleichzeitig ließen die Hahnenkämpfe um den besten Platz auf der Straße nach, alle wüssten um ihre Beschränkung. Der Wert panzerartiger Karossen würde sinken und die Schönheit der Kleinwagen gewürdigt. 20.000 Euro beim nächsten Autokauf sparen und in die Altersversorgung – dann wird die Rente doch noch sicher. Autoversicherungen, Unfall- und Krankenversicherungen würden preiswerter.
Wenn ich mit meinem Auto 90 statt 120 fahre, braucht es 3,1 statt 4,5 l Sprit und spart 30 Prozent CO2. Alternativ fährt ein Elektroauto dann 400 statt 300 km; der Verzicht auf einen zusätzlichen Ladestopp überkompensiert den Zeitverlust aus der niedrigeren Geschwindigkeit bei Weitem.
Dieses entspannte Fahrgefühl, das wir aus dem Urlaub in Nachbarländern kennen, könnten wir endlich mit in den Alltag nehmen und müssten nicht im nächsten Moment schon wieder Angst vor einem Hintermann haben, dessen Rasurqualität wir im Rückspiegel leicht einschätzen können.
Eine Investition, die nicht einmal Geld kostet – im Gegenteil. Kleinteilige Regelungen weg, Schilder weg, Tausende von Prozessen entfallen, Tempomessgeräte finanzieren sich durch Einnahmen, deren Höhe sich an der Häufigkeit der individuellen Verstöße bemisst.
Ein Land, dessen innere Unruhe überall zu spüren ist, entspannt sich. Alle kommen an ihr Ziel und nicht nur die meisten.
Mehr als 500 Tote im Straßenverkehr jährlich sind der Handynutzung am Steuer geschuldet, sicher viele davon in Verbindung mit unangepasster Geschwindigkeit. Kann man nicht eine App entwickeln, die das verhindert? Es ist doch für eine Gesellschaft viel klüger, nur Autos zuzulassen, die diese Beschränkung standardmäßig an Bord haben, als auf Vernunft und Aufklärung zu hoffen. „Wie verbietet man richtig?“, titelte die ZEIT mal. Das wäre eine Antwort – und eine Geschäftsidee für kluge Programmierer.
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