Serie: Neue Speicherlösungen für Energie

14. September 2022


Serie: Neue Speicherlösungen für Energie

Der notwendige Umbau unserer Energieversorgung steht außer Frage – und die Speicherung der erzeugten Energie wird zum wichtigen Dreh- und Angelpunkt der Energiewende. Wir stellen in einer Serie aussichtsreiche Beispiele vor.

  • Die Industrie setzt perspektivisch auf Wasserstoff als Speicher
  • Lithiumbatterien sind heute immer noch schwer und teuer
  • Weltweit arbeiten Forscher an neuartigen Lösungen für die Energiespeicherung

Die Industrie will in Zukunft auf Wasserstoff als Speicher setzen, denn ein Kilogramm Wasserstoff liefert etwa so viel Energie wie 2,8 Kilogramm Benzin. Doch der Weg in eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft wird noch viele Jahre dauern. Bleiben noch Lithiumbatterien. Diese werden jetzt schon vielfach eingesetzt. Der Haken dabei ist aber, dass die Batterien immer noch sehr schwer und teuer sind. Wesentliche Bestandteile der heutigen Batterien sind zudem seltene Erden, die größtenteils in China gefördert werden. Weil alle diese Lösungen nicht zeitnah zur Verfügung stehen oder uns wieder in neue Abhängigkeiten bringen würden, tüfteln in vielen Ländern Forscher an völlig neuartigen Lösungen für die Energiespeicherung.

Wir haben uns einige der Projekte angesehen und starten eine kleine Serie mit aussichtsreichen Beispielen:

Beispiel 1: Umwandlung von Wärmeenergie in chemische Energie

Wissenschaftler der TU Wien zum Beispiel arbeiten schon seit längerem daran, Wärmeenergie sehr lange zu speichern, ohne den Speicher aufwändig isolieren zu müssen. Jüngst ist den Forschern ein Durchbruch gelungen: Der neue Wärmespeicher beruht auf dem Prinzip der Umwandlung von Wärmeenergie in chemische Energie. Laut Prof. Franz Winter von der TU Wien kommt dabei Borsäure zur Anwendung, die mit Öl vermischt wird. Diese ölige Suspension wird in einem Reaktor erhitzt. Die Energie dafür kann zum Beispiel aus der Abwärme von Industrieanlagen oder Wind- und Sonnenenergie kommen. Durch die Hitze kommt es in dem Suspensionsreaktor zu einer chemischen Reaktion: Die Borsäure wird in Boroxid umgewandelt, wobei Wasser frei wird. Die ölige Boroxid-Suspension kann man dann in Tanks lagern. Führt man der Suspension dann wieder Wasser zu, läuft die chemische Reaktion umgekehrt ab, und die gespeicherte Wärme wird wieder freigesetzt.

„Im Labor haben wir gezeigt, dass auf diese Weise problemlos viele Auf- und Entladungsvorgänge möglich sind“, erklärt Prof. Winter. Gemeinsam mit Industriepartnern will die TU Wien nun intensiv an der Technologie weiterforschen, um sie auf industrielle Maßstäbe hochzuskalieren.

Beispiel 2: Wärmespeichernde Baumaterialien

Jeder kennt diese kleinen Handwärmepads: Drückt oder knickt man sie, geben sie Wärme ab. Sie enthalten ein wasserhaltiges Salz, dass sich bei Raumtemperatur nur wenig löst. Legt man den Beutel in heißes Wasser, werden die Salze vollständig aufgelöst. Kühlt der Beutel jetzt ab, kristallisiert das Salz nicht wieder aus, sondern bleibt quasi „zwangsgelöst“. Die Kristallisation kann man durch Knicken eines Metallplättchens im Beutel schlagartig auslösen und dabei wird Kristallisationswärme freigesetzt. Da sich die Wassermoleküle in einem langsamen Prozess erst neu anordnen müssen, bleibt die Wärme über mehrere Stunden erhalten.

Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universität Leipzig haben dieses Prinzip auf Baustoffe angewendet. Diese können zum Beispiel in Form großer Platten auf Wänden von Gebäuden zum Einsatz kommen. Während der Sonnenstunden am Tag nehmen die Platten Wärme auf und geben diese später bei niedrigeren Temperaturen wieder ab, ganz ähnlich wie ein traditionelles Steinhaus. Laut Prof. Dr.-Ing. Thomas Hahn vom Institut für Chemie der MLU eröffnet das Verfahren aber eine ganz neue Dimension beim Energiesparen: Das neue Material speichert Berechnungen zufolge bei einer Aufheizung von zehn Grad Celsius bis zu 24-mal mehr Wärme als herkömmlicher Beton oder Gips. Anders als die Handkissen wird das neuartige Material nicht weich, wenn es Wärme aufnimmt. „Der eigentlich flüssige Wärmespeicher ist in unserer Entwicklung in einem Gerüst aus festem Silikat eingeschlossen und kann durch hohe Kapillarkräfte nicht austreten“, erklärt Hahn. Bei der Herstellung des Materials sollen zudem weitestgehend umweltverträgliche Stoffe zum Einsatz kommen, darunter Fettsäuren, wie sie in Seifen und Cremes vorkommen. Die verwendeten Zusätze, die dem Material seine Festigkeit und erhöhte Wärmeleitfähigkeit verleihen, können aus Reishülsen gewonnen werden.

Ausblick:

In Folge zwei unserer neuen Serie werden wir den Energy Vault des Schweizer Unternehmens Cleantech vorstellen: einen 20-Stockwerke hohen Turm aus Betonklötzen, der ein ganzes Kohlekraftwerk ersetzen kann.