„Unternehmer brauchen Freiräume für ihre Ideen“

13. September 2022


Als Burkhard Dickmann vor einem Jahr als Vorstandsvorsitzender der AGEV startete, war die Welt noch eine andere. Wir sprechen mit ihm über sein erstes turbulentes Jahr als AGEV-Vorsitzender – und wichtige Themen, die auf seiner Agenda stehen.

AGEV: Alle haben sich auf eine Erholung von den Folgen der Pandemie gefreut. Dass im Jahr 2022 dann ein Krieg in Europa, Inflation, Energiekrise und globale Lieferkettenengpässe folgen, hätte niemand gedacht. Wie haben Sie Ihr erstes Jahr als AGEV-Vorsitzender erlebt?

Burkhard Dickmann: Es war tatsächlich ein turbulentes Jahr, das uns leider weitere Krisen gebracht hat. Aber ich bin ein positiver Mensch und sehe auch die Chancen. Genauso wie Corona ein Booster für die Digitalisierung war, so ist die Energiekrise jetzt ein Booster für die Nutzung regenerativer Energien wie Sonne und Windkraft. Nachhaltiger Konsum und Kreislaufwirtschaft rücken in greifbare Nähe. Leichter wäre es natürlich, wenn wir für diesen Prozess mehr Zeit hätten. Deshalb wird es nicht ohne einige Verwerfungen und Härten gehen. Hier ist die Politik gefordert, diese Härten abzufedern.

AGEV: Woran denken Sie da konkret?

Dickmann: Die steigenden Preise wirken sich natürlich besonders katastrophal bei den Menschen aus, die sowieso schon knapp bei Kasse sind. Denen muss geholfen werden. Die AGEV hat dabei natürlich in erster Linie ihre Mitglieder im Blick. Das heißt die bei uns organisierten Selbstständigen und Freiberufler. Viele haben in der Coronazeit ihre Ersparnisse aufbrauchen müssen und stehen jetzt vor möglicherweise noch größeren Herausforderungen. Es deutet sich jetzt schon an, dass sich immer mehr Konsumenten mit Ausgaben zurückhalten. Das ist ja auch völlig rational angesichts der Kostenlawine, die da auf uns alle zurollt. Es führt aber bei Unternehmen zu sinkenden Umsätzen, bei gleichzeitig steigenden Kosten für Energie, Personal und den Wareneinkauf.

AGEV: Was kann die Politik da tun?

Dickmann: Der Mittelstand und die vielen kleinen Unternehmen bilden das Fundament unserer Marktwirtschaft. Dieses Fundament muss immer mehr Belastungen tragen und droht gleichzeitig durch die vielen Krisen zu erodieren. Es wäre schon viel gewonnen, wenn die Politik wenigstens nicht immer weitere Belastungen erfinden würde. Leider geschieht das Gegenteil. So wird zum Beispiel in Brüssel eine Richtlinie vorbereitet, die sich vordergründig dem Schutz von sogenannten „Plattformarbeitern“ widmet. Das sind diejenigen Menschen, die über Internetplattformen für Löhne weit unter dem gesetzlichen Mindestlohn arbeiten – also etwa Fahrradkuriere, Click-Worker, die zum Beispiel irgendwelche Bilder im Internet anklicken oder Menschen, die ihre Wohnung an Touristen vermieten. Das Problem dabei ist, dass die Definition eines Plattformarbeiters so weit gefasst ist, dass praktisch jeder Selbstständige darunterfällt, der einen Computer nutzt. Das könnte dann dazu führen, dass er beweisen muss, nicht scheinselbstständig zu sein, was angesichts äußerst schwammiger Kriterien nahezu unmöglich ist.

AGEV: Wie positioniert sich die AGEV bei diesem Thema?

Dickmann: Die AGEV hat schon vor Jahren gefordert, dass endlich klare Kriterien festgelegt werden, die definieren, wer selbstständig tätig ist und wer nicht. Wir brauchen hier dringend Rechtssicherheit statt noch größerer Unsicherheit. Wenn potenzielle Auftraggeber aus Angst vor exorbitanten, über Jahre rückwirkenden, finanziellen Forderungen der Rentenkasse keine Aufträge mehr an Freelancer vergeben, bedroht das deren Existenzgrundlage. Als AGEV-Verantwortliche fühlen wir uns unseren Mitgliedern verpflichtet und das bedeutet, dass jeder das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hat, sofern er die Rechte anderer nicht verletzt. So sieht es unsere Verfassung vor. Gutgemeinter Schutz gegen Ausbeutung darf nicht dazu führen, dass Menschen, die gerne und freiwillig selbstständig arbeiten möchten, letztlich kriminalisiert werden.

Unternehmer brauchen Freiräume, in denen sie ihre Ideen entwickeln können. Das heißt natürlich nicht, dass in Wild-West-Manier jeder macht, was er will. Aber davon sind wir in Deutschland sehr weit entfernt. Das Pendel ist längst in die andere Richtung ausgeschlagen. Viele fühlen sich heute durch die vielen Verordnungen und Gesetze so eingeschränkt, dass viele Projekte aufgegeben werden, bevor sie überhaupt angefangen haben. Auf diese Weise werden Innovationen sowie neue Unternehmen im Keime erstickt.

AGEV: Welche weiteren Themen möchten Sie in den nächsten Jahren noch bearbeiten?

Dickmann: Die globale Klimaerwärmung und der dadurch notwendige Umbau der Wirtschaft weg vom Verbrauch fossiler Energien ist für mich die größte Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Und das ist natürlich auch für die AGEV ein ganz wichtiges Thema, das auch viele Chancen für unsere Mitglieder mit sich bringt. Deshalb werden wir regelmäßig neue Konzepte und Innovationen vorstellen, die Ökologie, Ökonomie und Digitalisierung miteinander verbinden.

AGEV: Wie kann die AGEV sich hier einbringen?

Dickmann: Ich bin davon überzeugt, dass wir am Beginn einer neuen Gründerzeit stehen. Nur mit neuen Ideen und mehr Risikobereitschaft werden wir unseren Wohlstand erhalten. Was gibt es Schöneres, als eine Idee zu verwirklichen, indem man ein erfolgreiches Unternehmen aufbaut, das anderen Menschen Arbeit gibt und die Probleme der Kunden löst? Wir müssen Menschen motivieren, ihre Träume zu verwirklichen, statt sie zu bevormunden und einzuengen. Natürlich brauchen wir auch engagierte Menschen, die im Staatsdienst arbeiten. Es kann aber nicht sein, dass der Traum der meisten jungen Menschen in Deutschland eine Anstellung im öffentlichen Dienst oder eine Beamtenkarriere ist – also schon beim Berufseinstieg den sichersten Weg zu wählen. Deshalb müssen wir gerade jungen Menschen ein positiveres Bild vom Unternehmertum vermitteln. Das wird eine weitere sehr wichtige Aufgabe für die AGEV werden.

AGEV: Was motiviert Sie bei der Arbeit für die AGEV besonders?

Dickmann: Mir macht die Zusammenarbeit mit meinen Vorstandskollegen sowie dem ganzen AGEV-Team sehr viel Freude. Wir verstehen uns alle sehr gut und haben ganz ähnliche Ansichten, was die Arbeit bei der AGEV betrifft. Mir persönlich – aber auch meinen Kollegen ­– ist es ein großes Anliegen, unseren Mitgliedern praktische Hilfe in einem immer schwieriger werdenden Umfeld zu geben, also konkrete Tipps für ihren Unternehmensalltag. Dazu dienen unsere neue Website, der Newsletter und unsere Präsenz- und Online-Workshops. Durch die Konzentration auf agev.de als die zentrale Mitgliederplattform informieren wir schneller und umfassender als bislang. Die AGEV ist eine große Gemeinschaft mit viel Potenzial. Wenn wir neben der wichtigen politischen Arbeit auch das eine oder andere schlummernde Talent in unserer Mitgliederschaft entdecken und diesem zum Erfolg verhelfen können, haben wir sehr viel erreicht.

AGEV: Vielen Dank für das Gespräch

Das Interview mit Burkhard Dickmann führte für die AGEV Christoph Steinhauer, Steinhauer Kommunikation Bonn. Fragen, Anregungen oder Meinungen zu diesem Interview senden Sie bitte an:

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AGEV – Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus
dem Bereich EDV und Kommunikationstechnologie e.V.
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Burkhard Dickmann, Vorstandsvorsitzender der AGEV