Serie: Mit Schwerkraft Strom speichern

3. November 2022


In unserer Serie zu neuen Energiespeicherlösungen stellen wir diesmal das schweizerisch-amerikanische Startup Energy Vault vor. Mithilfe der Schwerkraft speichert das Cleantech-Unternehmen Energie aus erneuerbaren Quellen. Das Interesse der Industrie ist ein Zeichen dafür, dass die Technologie im Batteriespeichermarkt mitmischen kann.

  • Das Cleantech-Startup nutzt die Schwerkraft für seine Gravitationsbatterie.
  • Das System kommt ohne die kritischen und teuren Rohstoffe in Lithiumbatterien aus.
  • Interessant ist die Lösung vor allem für große Industriegelände neben Wind- und Solarparks.

Prototyp der Speichertechnologie ist ein speziell dafür entwickelter, 120 Meter hoher sechsarmiger Kran, der in der Schweizer Gemeinde Arbedo-Castione steht. Tonnenschwere Betonklötze werden am Kran emporgezogen und herabgelassen. Für das Hochziehen wird der überschüssige Strom aus Solar- oder Windparks genutzt, in potenzielle Gravitationsenergie umgewandelt, die so lange ruht, bis sie gebraucht wird. Sobald das der Fall ist, lassen die Kräne die Blöcke mittels Schwerkraft in die Tiefe ab und erzeugen dabei Strom.

Inzwischen hat Energy Vault eine neue Speichergeneration gebaut. EVx ist keine Kran-Konstruktion mehr, sondern ein 20-stöckiges, bis zu 100 Meter hohes Gebäude in modularer Bauweise, das beliebig dimensioniert werden kann. Die futuristisch anmutende Stahlkonstruktionen ist mit Rollwagen bestückt, die die schweren Steinblöcke auf und ab bewegen. Gesteuert mit künstlicher Intelligenz wird exakt so viel Energie freigesetzt, wie gerade benötigt. Die Vorteile der Gravitationstechnologie: Sie ist zum einen unabhängig von der Verfügbarkeit der ebenso kritischen wie teuren Rohstoffe Lithium, Kobalt & Co, die in klassischen Batteriespeichern eingesetzt werden. Überdies nimmt die Leistungsfähigkeit der Anlagen im Gegensatz zu den herkömmlichen Speichern nicht ab. „Schwerkraft wird es immer geben“, so das Credo von Energy Vault zu seiner verblüffend simplen Lösung. Die Einfachheit der Technologie könnte zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden.

Mit lokalen Materialen

Was die Anlagen ebenfalls interessant macht: Die tonnenschweren Blöcke werden aus Recyclingmaterialien, etwa wiederverwertetem Bauschutt, hergestellt. So lassen sie sich im Prinzip überall lokal produzieren, ob mit Erdreich, Sand oder Abfallstoffen. Damit ist die Speicherlösung auch günstiger herzustellen. Laut Energy Vault schlagen die Kosten mit nur 60 Prozent im Vergleich zu einer Lithium-Ionen-Batterie zu Buche – bei gleicher Kapazität. Bei diesem Sparpotenzial soll es aber nicht enden. Bis 2025 sollen die Herstellungskosten nur noch halb so hoch sein wie die der klassischen Batteriespeicher.

Das weltweite Interesse am Cleantech-Startup wächst. Unweit von Shanghai war in diesem Jahr bereits Spatenstich für ein erstes EVx-Center auf chinesischem Boden. Auch andere internationale Unternehmen, etwa aus Bergbau und Ölindustrie, wollen bei ihrem Umstieg auf eine CO2-reduzierte Produktion das Energy Vault-Prinzip einsetzen. Aber das Cleantech-Startup hat auch den deutschen Markt im Blick, mit der Vision, dass zum Beispiel stillgelegte Kohlekraftwerke in Schwerkraft-Stromspeicher umgewandelt werden. Klar ist, dass die 1,5 bis 20 Hektar großen Anlagen angesichts ihrer Dimension kaum inmitten von Städten platziert werden. Auf großen Industriegeländen oder neben großen Wind- und Solarparks ergeben sie jedoch Sinn. Nach Angaben des Unternehmens könnte ein Speicher in Standardgröße (500 MWh) zusammen mit einem 1,5-GW-Solarpark oder in Kombination mit einem Windpark ein großes Kohlekraftwerk ersetzen. Erst kürzlich gab Energy Vault bekannt, seine Pläne in China nun gezielt beschleunigen zu wollen. Konkret wollen mehrere Partner fünf Industrieparks durch die Nutzung der Gravitationsspeicher kohlenstofffrei gestalten.

Mehr Informationen: energyvault.com

Ausblick:

In Folge drei unserer neuen Serie stellen wir das Startup Highview Power aus UK vor, das in der Nähe von Manchester Langfristspeicher mit flüssiger Luft als Speichermedium baut.

Der Kran im Schweizer Tessin hebt und senkt die Betonklötze. Bildquelle: ENERGY VAULT